Volkswagening
Mittlerweile hat es wohl jeder mitbekommen: VW wurde dabei erwischt, Betrugssoftware in die Steuersoftware bestimmter Dieselmotoren eingebaut zu haben, um Prüfstände zu erkennen und bei Tests niedrigere Abgaswerte vorzutäuschen. So wurde nicht nur bei den offiziellen Abgastests gemogelt, sondern die Kunden haben ein Produkt gekauft, das nicht der Spezifikation entspricht. Das dreiste Vorgehen bei VW hat mittlerweile sogar einen eigenen Begriff geprägt: Volkswagening!
Kurz nach dem Bekanntwerden des VW-Skandals wurde bei Samsung-Fernsehern ein auffälliges Verhalten bei jenen Tests festgestellt, mit denen der Energieverbrauch der Geräte ermittelt wird. Prompt titelte die amerikanische Presse: “Is Samsung Volkswagening, Too?”
Dabei tut der Begriff Volkswagen vielleicht unrecht, weil sie zweifellos nicht die Ersten und Einzigen sind, die per Software Testsituationen erkannt und dann geschönte Resultate und ein anderes Systemverhalten als im Regelbetrieb präsentiert haben. Schon vor 15 Jahren konnte man den Benchmark-Tests von PC-Grafikkarten nicht trauen, weil einige Hersteller diese standardisierten Tests erkannten und unterliefen. Volkswagening. Und vor wenigen Jahren wurden Smartphone-Hersteller dabei erwischt, ähnliche Testprogramme zur Messung der Gesamtleistung des Systems dadurch zu täuschen, dass die Testprotokolle erkannt und dann CPUs übertaktet und außerhalb der Spezifikation betrieben wurden. Volkswagening. Vor ein paar Jahren wurde der Markt mit billigen Speicherkarten und USB-Sticks geflutet, die nicht die Kapazität besaßen, die angegeben war und auch von der Software “erkannt” wurde – die Speicherbausteine fehlten einfach, die darauf geschriebenen Daten landeten einfach im Nirvana. Volkswagening.
Es gibt sogar Geräte, die mit acht CPU-Kernen werben, von denen vier besonders leistungsfähig sind, die anderen vier eher schwachbrüstig. Bei Tests kommen die leistungsfähigen Recheneinheiten zum Einsatz, in der Praxis überhitzt das System dann aber schnell und der Akku wäre im Nu leer. Also werden im Normalbetrieb fast immer die weniger leistungsfähigen Recheneinheiten genutzt. Volkswagening? Die Hersteller argumentieren, dass die Kunden es nicht anders wollen und im Benchmark ja nur gezeigt wird, wozu das Gerät prinzipiell in der Lage wäre. Hier gibt es auch keine Zulassungsverfahren und einzuhaltende Normen und die Auswirkungen auf die Umwelt und den Geldbeutel der Besitzer sind gering.
Aber das Problem, das sich hinter dem “Volkswagening” zeigt, ist komplexer. Wir verlassen uns beispielsweise darauf, dass unsere Haushaltsgeräte sich an die angegebenen Energieklassen halten – A++, A+++, A++++. Wer weiß schon genau, was sich dahinter verbirgt? Wer misst wirklich im Normalbetrieb nach? Wir glauben auch, dass das Leuchtmittel eine durchschnittliche Brenndauer von 10.000 Stunden hat – wenn es bei uns früher kaputt geht … Pech gehabt.
Je komplexer die Systeme werden, umso weniger durchschaubar werden sie für den Anwender. Er muss sich darauf verlassen, dass die Produkte den Erwartungen entsprechen. Die “black box” können wir kaufen und nutzen – aber können wir ihr auch vertrauen? Die Besonderheit des Volkswagen-Skandals ist eigentlich nicht der Umstand der Manipulation, sondern dass er so lange sogar von den offiziellen Prüfstellen unentdeckt blieb, obwohl Experten sich einig sind, dass längst die Alarmglocken hätten klingeln müssen.