UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator: 2020 starker Einbruch, 2021 Aufholprozess
Der UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator halbierte sich im März 2020 auf 0,8 Punkte, widerspiegelt damit jedoch die Auswirkungen der Coronakrise noch unvollständig.
- Österreichs Wirtschaft befindet sich inmitten einer Rezession nach dem Angebotsschock durch die Unterbrechung der globalen Wertschöpfungsketten und dem „Lock-down“
- Die Ökonomen erwarten im Gesamtjahr 2020 einen Rückgang des BIP in Österreich um rund 9 Prozent, gekennzeichnet von einem starken Konjunktureinbruch im ersten Halbjahr und einer ab der Jahresmitte beginnenden Gegenbewegung
- Aufholprozess mit einem Wirtschaftswachstum von rund 8 Prozent im Jahr 2021 erwartet, doch Österreichs Wirtschaft wird das Vorkrisenniveau erst Mitte 2022 erreichen können
- Leichtes Ost-West-Gefälle bei der wirtschaftlichen Betroffenheit der Bundesländer zu erwarten
- Größte Einbußen im Bereich Beherbergung und Gastronomie von bis zu 40 Prozent im Gesamtjahr
- Trotz Kurzarbeit und Liquiditätsmaßnahmen für die Betriebe deutliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: Arbeitslosenquote steigt in der Krise auf über 13 Prozent und wird auch Ende 2021 noch über Ausgangsniveau liegen
- Große Unsicherheit bei der Prognose aufgrund der schweren Einschätzbarkeit der weiteren Entwicklung
Nach einem optimistischen Start ins Jahr 2020 ist die Konjunkturstimmung in Österreich mittlerweile stark eingebrochen. „Der UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator ist auf 0,8 Punkte gesunken. Damit hat sich der Indikator innerhalb eines Monats halbiert.
Trotz eines der stärksten historischen monatlichen Rückgänge wird aufgrund des Zeitpunkts der Datenerhebung noch nicht das volle Ausmaß der Folgen der Coronakrise abgebildet“, meint UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer und ergänzt: „Durch den Stillstand von großen Teilen der Wirtschaft seit Mitte März befindet sich Österreich bereits inmitten einer starken Rezession, die abrupt aufgetreten ist.“
Die anfänglich angebotsseitigen Störungen der Wirtschaft durch die Unterbrechung der globalen Wertschöpfungsketten werden mittlerweile durch die Auswirkungen der Ausgangsbeschränkungen auf die Geschäftstätigkeit der heimischen Betriebe überlagert.
„Wir erwarten einen Rückgang des BIP in Österreich im Jahr 2020 von rund 9 Prozent. Damit wird der Einbruch der Wirtschaft mehr als doppelt so stark sein, wie während der Finanzkrise 2009. Das setzt aber voraus, dass die gesetzten Maßnahmen die Ausbreitung des Coronavirus auf Dauer erfolgreich verlangsamen können und eine substanzielle Aufhebung der Beschränkungen, die über die derzeitigen Lockerungen hinausgeht, spätestens ab Juni erfolgen kann“, so Bruckbauer.
Nach einem guten Jahresbeginn hat die Corona-Krise die österreichische Wirtschaft ab Mitte März voll erfasst und damit bereits einen Rückgang der Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2020 verursacht. Obwohl mittlerweile Anzeichen für eine Abflachung der Neuinfektionen erkennbar sind und eine erste Lockerung der Beschränkungen ab Mitte April erfolgt, wird die österreichische Wirtschaft im zweiten Quartal nur rund 75 bis 80 Prozent des normalen Leistungsniveaus erreichen können.
Das BIP wird damit um fast 20 Prozent gegenüber dem Jahresbeginn sinken, was auf starke Einbrüche beim privaten Konsum und der Investitionstätigkeit zurückzuführen sein wird.
Wenn auch in weiterer Folge die Restriktionen voraussichtlich nur allmählich gelockert werden können, ist in der zweiten Jahreshälfte eine spürbare Gegenbewegung aus diesem Konjunkturtief mit Zuwachsraten von bis zu 8 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu erwarten. Die Erholung der Konsumnachfrage wie auch der Investitionen wird jedoch in dem unsicheren Umfeld nicht sofort auf vollen Touren erfolgen.
„Wir gehen von einem optimistischen V-förmigen Konjunkturverlauf aus. Dem starken Einbruch ab März sollte eine kräftige Wachstumsphase in der zweiten Jahreshälfte 2020 folgen. Für 2021 ist mit einem Wirtschaftswachstum von bis zu 8 Prozent zu rechnen. Dennoch wird die österreichische Wirtschaft Ende 2021 ihr Niveau von vor dem Ausbruch der Coronakrise um rund 2 Prozent unterschreiten“, meint Bruckbauer.
Die umfangreichen geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen werden nach Einschätzung der Ökonomen der UniCredit Bank Austria die dauerhaften wirtschaftlichen Schäden zwar stark begrenzen, aber nicht vollständig neutralisieren können. Zudem ist in einigen Wirtschaftsbereichen mit längerfristigen Einschränkungen und bei anhaltender Infektionsgefahr von einer dauerhaften Nachfragezurückhaltung auszugehen.
Zudem besteht die Gefahr, dass bereits vorhandene strukturelle Veränderungen nun zügiger umgesetzt werden, was zwar mittelfristig positive Auswirkungen haben kann, kurzfristig aber zu zusätzlichen Belastungen führen könnte.
Einbußen für manche Branchen von bis zu 40 Prozent
Unter der Annahme einer schrittweisen Wiederbelebung der Wirtschaftstätigkeit ab Mai wird die nominelle Wirtschaftsleistung in Österreich im Gesamtjahr 2020 im Vergleich zu einem Szenario ohne Pandemie um voraussichtlich 10 Prozent bzw. rund 36 Milliarden Euro geringer sein. Die Folgen der Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus sind jedoch für die einzelnen Branchen unterschiedlich stark.
Die größten Einbußen werden jene Branchen erleiden, die ihre Tätigkeit vollständig einstellen mussten, wie der Großteil der persönlichen Dienstleister, die Beherbergungs- und Verpflegungsbetriebe, die Kultur- und Sportveranstalter und zahlreiche Einzelhandelsbetriebe.
Zudem müssen jene Branchen mit überdurchschnittlich hohen Umsatzausfällen rechnen, deren Nachfrage aufgrund der eingeschränkten Ausgangsmöglichkeiten und Reisefreiheiten verloren geht. Dazu gehören in erster Linie die Transportunternehmen und die Reisebüros, die ebenso kaum von Nachholeffekten nach der Lockerung der Maßnahmen profitieren werden.
„Für jene Branchen, die von temporären Schließungen betroffen sind und auch kaum von Nachholeffekten profitieren werden können, erwarten wir einen Rückgang der Wertschöpfung über das gesamte Jahr 2020 gerechnet von bis zu 40 Prozent. Allerdings gibt es auch einige Branchen, die kaum oder wenig von Einbußen betroffen sein werden. Dazu zählen etwa die Pharmaindustrie, der Lebensmitteleinzelhandel, der öffentliche Dienst sowie die Apotheken und Drogerien“, meint UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl.
Starke Betroffenheit aller Bundesländer
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus lassen für die österreichischen Bundesländer abhängig von den bestehenden Branchenschwerpunkten auch etwas unterschiedliche wirtschaftliche Folgen erwarten. „Generell sind alle österreichischen Bundesländer bei nur relativ geringen Unterschieden von massiven negativen Auswirkungen der Coronakrise betroffen. Allerdings ist ein leichtes Ost-West-Gefälle auszumachen, mit überdurchschnittlich starken Auswirkungen für die Tourismushochburgen Tirol, Salzburg und Vorarlberg. Dagegen sind das Verwaltungszentrum Wien sowie Niederösterreich und Burgenland voraussichtlich nur unterdurchschnittlich stark betroffen“, so Pudschedl.
Tirol wird aus heutiger Sicht in Österreich mit dem stärksten Rückgang seiner realen Wirtschaftsleistung 2020 rechnen müssen. Der hohe Tourismusanteil und die starke Fokussierung auf ausländische Gäste werden auch in Salzburg und in Vorarlberg zu überdurchschnittlich starken Wirtschaftseinbußen in ähnlicher Höhe wie für Tirol führen. In Wien hat der Tourismus dagegen eine deutlich geringere Bedeutung für die Wertschöpfung, während der öffentliche Dienst eine starke Stellung einnimmt. Daher wird die Wiener Wirtschaft voraussichtlich die geringsten Einbußen aller Bundesländer durch die Corona-Krise erleiden, dennoch ist nach Einschätzung der Ökonomen der UniCredit Bank Austria ein Rückgang der Wirtschaftsleistung auch in Wien 2020 gravierend.
Arbeitsmarkt temporär stark, aber auch dauerhaft belastet
Durch den „Lock down“ und den anfänglich fehlenden Ausstiegsperspektiven hat sich die Arbeitslosigkeit in den letzten beiden Märzwochen mit Rekordtempo erhöht und die Beschäftigung ist erstmals seit der Finanzkrise in Österreich zurückgegangen. „Der Einbruch der Wirtschaftsleistung im Zuge der Corona-Krise wird sich in den kommenden Monaten noch stärker am österreichischen Arbeitsmarkt niederschlagen. Wir gehen von einem Höchstwert der Arbeitslosenquote von über 13 Prozent im Sommer aus und erwarten erst danach eine allmähliche Verbesserung der Lage. Im Jahresdurchschnitt 2020 wird die Arbeitslosenquote fast 11 Prozent betragen und damit um rund 50 Prozent über dem Vorjahreswert liegen“, meint Pudschedl.
Die höchste Arbeitslosenquote aller Bundesländer wird 2020 auch weiterhin Wien aufweisen. Die stärkste Zunahme ist jedoch in Tirol zu erwarten. In dem Bundesland, in dem 2019 mit 4,5 Prozent die niedrigste Arbeitslosigkeit gemessen wurde, wird sich die Arbeitslosenquote voraussichtlich mehr als verdoppeln. Oberösterreich wird trotz eines Anstiegs um mehr als 50 Prozent im Jahresdurchschnitt 2020 die niedrigste Arbeitslosenquote aller österreichischen Bundesländer erreichen.
Durch das Kurzarbeitsmodell und die Liquiditätsmaßnahmen für betroffene Unternehmen wird eine noch viel stärkere Belastung für den österreichischen Arbeitsmarkt vermieden werden, die Arbeitslosigkeit wird sich jedoch trotzdem nur langsam rückbilden. Im Jahresdurchschnitt 2021 wird die Arbeitslosenquote im Österreichschnitt mit rund 8 Prozent voraussichtlich noch deutlich höher liegen als zu Beginn der Corona-Krise.
Die Ökonomen der UniCredit Bank Austria betonen, dass ihre Prognosen natürlich mit größeren Unsicherheiten behaftet sind als in „normalen“ Zeiten. „Trotz der großen Unsicherheit basiert unsere Prognose auf dem derzeit wahrscheinlichsten Szenario einer langsamen Beendigung der Eindämmungsmaßnahmen im Verlauf der zweiten Halbjahres“ meint Bruckbauer und ergänzt: „Die Risiken für unsere Prognose liegen in der Tatsache, dass die genauen Auswirkungen der weltweiten Corona-Pandemie und die weitere Entwicklung der Gegenmaßnahmen, um sie zu bekämpfen, in einem globalen Kontext nur schwer abzuschätzen sind.“
(Quelle: UniCredit Bank Austria)