UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex im April
Beispielloser Fadenriss der Industrieentwicklung mit Aussicht auf Erholung: Die Industriekonjunktur hat im April voraussichtlich den Tiefpunkt erreicht. Eine Erholung ab dem dritten Quartal sollte die Einbußen der Industrieproduktion 2020 auf weniger als 10 Prozent begrenzen.
- Der UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex sank im April auf ein Rekordtief von 31,6 Punkten
- Nachfragekollaps führte zu der historisch stärksten Verringerung der Produktion
- Tempo des Beschäftigtenabbaus dank Kurzarbeitsmodell etwas geringer als in der Finanzkrise 2009
- Rückläufige Preise im Ein- und Verkauf seit mittlerweile fast einem Jahr
Nach ersten Rückschlägen zu Frühlingsbeginn ist die österreichische Industriekonjunktur mittlerweile eingeknickt. „Nach der Unterbrechung der globalen Wertschöpfungsketten, die der Industrie im März bereits spürbar zugesetzt haben, sorgten die weltweit gesetzten Beschränkungsmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus im April für einen noch stärkeren Einbruch der Industriekonjunktur. Der UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex hat mit 31,6 Punkten sogar den Tiefststand während der Finanzkrise im Jänner 2009 unterschritten“, sagt UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer.
Im Vergleich zur Finanzkrise ist der aktuelle Rückgang der Industriekonjunktur nicht nur etwas stärker, sondern vor allem deutlich rascher erfolgt. Innerhalb von nur zwei Monaten fiel der UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex aus dem Wertebereich über 50 Punkten, der Wachstum signalisiert, auf das neue Rekordtief und büßte dabei fast 20 Punkte ein, davon alleine mehr als 14 Punkte im April. Während der Finanzkrise betrug der stärkste monatliche Rückgang nur knapp mehr als 5 Punkte und bis zum Erreichen des Tiefpunkts dauerte es länger als ein halbes Jahr.
„Der in der mehr als 20-jährigen Geschichte der Berechnung des UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex stärkste und verhältnismäßig rascheste Rückgang wurde durch den abrupten Einbruch der Nachfrage aus dem In- und Ausland verursacht, der die Betriebe zu einem massiven Zurückfahren der Produktion und zu einem starken Stellenabbau veranlasste. In Abweichung zu einem gewöhnlichen Abschwung haben sich aufgrund der angebotsseitigen Störungen die Lieferzeiten verlängert und die Vormateriallager haben zugenommen. Ohne diese Entwicklung wäre der Rückgang des Indikators deutlich stärker ausgefallen“, mein Bruckbauer.
Beispielloser Kollaps der Produktion
Die Maßnahmen zur Beschränkung des öffentlichen Lebens in Österreich haben teilweise Betriebsschließungen notwendig gemacht und verursachten infolge den stärksten jemals gemessenen Nachfragerückgang. Neben dem schwachen Neugeschäft war die österreichische Industrie auch in großem Umfang mit der Verschiebung oder sogar Stornierung von Aufträgen konfrontiert sowie einer generellen Ausgaben- und Investitionszurückhaltung der Abnehmer. Nur wenige Bereiche konnten von einer wieder etwas stärkeren Nachfrage aus China sowie nach medizinischer Ausrüstung profitieren.
„Die Produktion in der heimischen Industrie fiel aufgrund der schwachen Nachfrage aus dem In- und Ausland, der Unterbrechung der globalen Wertschöpfungsketten, Grenzschließungen und dem Lockdown in Österreich selbst auf ein Rekordtief von 17,2 Punkten. Mehr als 70 Prozent der heimischen Betriebe haben im April einen Rückgang der Produktion gemeldet. Besonders starke Einbußen verzeichnete dabei die Konsumgüterindustrie“, meint UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl. Trotz der starken Produktionsrücknahme sowie temporärer Betriebsschließungen nahmen die Auftragsrückstände der heimischen Betriebe weiter rasant ab. Erneut wurden viel mehr Aufträge abgearbeitet als neue hinzukamen.
Schwieriges Lagermanagement
Das Lagermanagement der österreichischen Betriebe war im April besonders stark gefordert. „Aufgrund der fehlenden Nachfrage und der rasanten Anpassung der Produktion konnte das Ziel der Kostenoptimierung in der Lagerhaltung im April nur schwer umgesetzt werden. Sowohl die Lagerbestände an Vormaterialien als auch an Fertigwaren stiegen. Die Verkaufslager nahmen sogar mit Rekordtempo zu“, sagt Pudschedl.
Der Anstieg der Bestände in den Fertigwarenlagern war nicht nur der geringeren Verkäufe geschuldet, sondern auch Problemen bei der Auslieferung der Ware an die Kunden durch Grenzschließungen, verschärfte Frachtkontrollen bzw. Transportunterbrechungen. Aufgrund dieser angebotsseitigen Störungen verlängerten sich die Lieferzeiten den dritten Monat in Folge, entgegen dem Trend in einer gewöhnlichen Abschwungphase. Bei den Einkaufslagern war neben der unerwartet starken Produktionszurücknahme auch eine bewusste Lageraufstockung aus Vorsichtsgründen zu bemerken, um sich Rohstoffe und Vormaterialien für die zukünftige Produktion zu sichern.
Preise weiterhin im Sinkflug
Die verstärkte Bevorratung an Rohstoffen und Vormaterialien konnte den Rekordrückgang der Einkaufsmenge der österreichischen Betriebe im April als Folge der schwachen Auftragsentwicklung nicht verhindern, obwohl die Preise im April erneut gegenüber dem Vormonat sanken. „Viele Rohstoffe wie vor allem Erdöl sowie viele Vormaterialien konnten im April noch günstiger als in den Vormonaten eingekauft werden. Allerdings löste der gestiegene Wettbewerb in dem schwachen Nachfrageumfeld einen beschleunigten Rückgang der Verkaufspreise aus. Unterm Strich belasteten die Preisentwicklungen im Ein- und Verkauf die Ertragslage der heimischen Betriebe im Durchschnitt stärker als in den Vormonaten“, meint Pudschedl.
Kurzarbeit federt Personalabbau ab
Die Anpassung der Produktionskapazitäten an den massiven Nachfragerückgang schlug sich im April auch in einem starken Stellenabbau via Kündigungen, die Nichtverlängerung oder die Annullierung von Verträgen und die Ausnutzung natürlicher Abgänge nieder. Der Beschäftigtenindex fiel innerhalb eines Monats um fast 10 auf 33,3 Punkte, den niedrigsten Wert seit elf Jahren. „Der Stellenabbau in der österreichischen Industrie ist zwar massiv, wird jedoch durch das Corona-Kurzarbeitsmodell deutlich gemildert. Dies zeigt sich darin, dass der Beschäftigtenindex im April mit 33,3 Punkten deutlich über dem Produktionsindex mit 17,2 Punkten liegt. Zudem sind trotz der bereits im Vergleich zur Finanzkrise deutlich stärkeren Verringerung der Produktion seit dem Ausbruch der Coronakrise bislang weniger Jobs verloren gegangen“, meint Pudschedl. Am Höhepunkt der Finanzkrise im März 2009 erreichte der Beschäftigtenindex nur 29,9 Punkte.
Stabilisierung der Industriekonjunktur ab Mai auf tiefem Niveau
Der aktuelle UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex zeigt mit seinem massiven Rückgang auf ein Rekordtief von 31,6 Punkten im April den erwarteten Einbruch der Industriekonjunktur an. Nach den Problemen in den vergangenen Monaten aufgrund der Störungen der globalen Wertschöpfungsketten vordringlich durch Quarantänemaßnahmen und Betriebsunterbrechungen in China haben im April die Lockdown-Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus in ganz Europa und auch in Österreich zu einem beispiellosen Fadenriss in der Industrieentwicklung geführt.
Der aktuelle Indikatorwert dürfte nach Einschätzung der Ökonomen der UniCredit Bank Austria das wahre Ausmaß des Industrieeinbruch sogar noch unterschätzen, da die den Rückgang des Indikators dämpfenden Komponenten, wie die Verlängerung der Lieferzeiten und die Zunahme der Bestände an Vormaterialien aufgrund von angebotsseitigen Störungen atypisch für eine Abschwungphase sind. Vielmehr signalisiert der Produktionsindex mit seinem Rückgang auf nur 17,2 Punkte das tatsächliche Ausmaß des Geschäftsrückgangs in der österreichischen Industrie, in der im April 70 Prozent der befragten Unternehmen einen Produktionsrückgang sogar bis zur Einstellung der Produktion gemeldet haben.
Die Produktionserwartungen haben sich angesichts der Verschärfung des wirtschaftlichen Umfelds, das sich auch im ähnlich starken Rückgang des vorläufigen Einkaufsmanagerindex für die verarbeitende Industrie in der Eurozone auf 33,6 Punkte bzw. des Produktionsindex auf 18,4 Punkte zeigt, gegenüber dem Vormonat nochmals verschlechtert. „Der Index für die Produktionserwartungen der heimischen Betriebe für zwölf Monate sank auf ein neues Rekordtief von 29,2 Punkten. Die Hoffnung auf eine sehr rasche Erholung aus der Coronakrise hat in den österreichischen Betrieben abgenommen. Die Sorge über eine länger andauernde oder eine erneut notwendige Verschärfung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus, die sich längerfristig dämpfend auf die Nachfrage bzw. die Investitionsbereitschaft auswirken würde, ist dagegen gewachsen“, meint Bruckbauer.
Mit der bereits begonnenen Lockerung der beschränkenden Maßnahmen, die sich in den kommenden Wochen fortsetzen sollte, wird sich das Geschäftsumfeld für die österreichische Industrie schrittweise wieder bessern. Der April sollte daher den Tiefpunkt der Coronakrise in der österreichischen Industrie markiert haben. „Nach dem massiven Einbruch im April sollte sich die Industriekonjunktur in den kommenden Wochen auf tiefem Niveau stabilisieren können. Allerdings ist erst mit einer spürbaren Lockerung der Maßnahmen der Beginn einer substanziellen Erholung zu erwarten. Wir gehen davon aus, dass in der zweiten Jahreshälfte ein Aufschwung einsetzen wird, der den Rückgang der Industrieproduktion im Gesamtjahr 2020 auf unter 10 Prozent begrenzt“, so Bruckbauer. Damit wären die Einbußen der österreichischen Industrie in der Coronakrise geringer als in der Finanzkrise, in der 2009 die Produktion um 12,7 Prozent abnahm.
(Quelle: UniCredit Bank Austria Economics & Market Analysis Austria)