Umbruch mit Sinn
Ein Gastbeitrag von Stefan Dudas, SINNosoph
Digitalisierung ist eine Herausforderung. Keine Frage. Aber ist sie wirklich die derzeit größte, die es zu meistern gibt? Richtet sich der Blick einmal nicht nur auf dieses eine Segment der Veränderung, sondern auf das Große und Ganze, verschieben sich Proportionen und Prioritäten.
Erhält die Digitalisierung den ihr zustehenden Platz, zeigt sie sich gleich weniger bedrohlich und recht gut zu handhaben. Schwieriger zu bewältigen allerdings sind die damit einhergehenden massiven Nebenwirkungen.
Manche Themen sind gerade voll im Trend, entsprechend hoch werden sie in den Unternehmen gehandelt. Andererseits gibt es aber auch Angelegenheiten, über die man gar nicht mehr sprechen möchte – obwohl sie wichtiger und entscheidender sind als jeder coole Trend.
Um was geht es also wirklich? Warum misslingen Projekte? Warum wird ein CRM-System, das für viel Geld angeschafft und mit großem finanziellem und personellem Aufwand initiiert wurde, von so vielen Mitarbeitern nicht richtig und effizient eingesetzt? Was genau ist das Problem, wenn Mitarbeiter ihre gewohnten Einzelbüros verlassen und ab sofort in Großraumbüros arbeiten müssen? Und wo sind die Stolperfallen, wenn in einem Projekt mit modernstem und hochagilen SCRUM-Projektmanagement die Projektzeiten massiv überschritten werden?
Digitale kontra mentale Transformation
Die wenigsten Projekte scheitern an den technischen Herausforderungen, sondern an der fehlenden Akzeptanz der Mitarbeiter, an Kommunikationsschwierigkeiten, an unklaren Aufträgen, an der Zusammenarbeitskultur, an Machtkämpfen und fehlendem Vertrauen. Einmal unter diesem Blickwinkel betrachtet, ist die „digitale Transformation“ gar keine digitale, sondern eher eine mentale Transformation!
Aber kann das überhaupt sein? Sind wir denn im Zeitalter der Agilität und des Change-Managements nicht bestens gerüstet für solche Veränderungen? Natürlich gibt es Unternehmen, die auf einem sehr guten Weg sind. Aus meiner Sicht macht sich allerdings ein großer Teil der Unternehmen in diesem Bereich etwas vor.
Technik kontra Mensch
Arbeiten in einem Unternehmen – und dies auf allen Ebenen – Menschen, die wirklich wollen, die mitdenken, die engagiert und interessiert sind, dann entstehen viele Probleme erst gar nicht. Digitalisierungsprojekte wurden in solchen Unternehmen schon vor Jahren initiiert und problemlos durchgezogen. Warum? Weil man es da schon für nötig befand. Weil es einfach an der Zeit dafür war. Und weil alle Beteiligten das erkannten.
Mancher Unternehmer wird sich jetzt fragen, wie und wo man diese tollen Mitarbeiter findet und an sich bindet. Genau das ist die zentrale Frage. Ich bin der festen Überzeugung, dass fähige Mitarbeiter in Zukunft nur noch in ihnen entsprechenden Unternehmen arbeiten werden. Und dies lässt sich nicht mit noch effizienteren Prozessen bewerkstelligen. Denn Vertrauen, Wertschätzung und Sinn lassen sich schlecht in automatisierte Prozesse abbilden. Zum Glück.
Wer eine Transformation des Unternehmens im Bereich Digitalisierung plant und meint, dass es sich dabei um eine technische Veränderung handelt, die man mit Prozessen und Workflows umsetzt, wird brutal scheitern. Denn das wirklich Beeindruckende an der Digitalisierung ist, dass sie uns wieder zurück führt zum Menschen.
Fortschritt kontra Sinn
Reinhard K. Sprenger, der Management-Vordenker, prägte schon vor langer Zeit den Satz: „Menschen kommen zu Unternehmen – aber sie verlassen Vorgesetzte“. Genau deswegen müssen wir im Hinblick auf die Digitalisierung und alle weiteren Herausforderungen, die auf uns zukommen, sehr ehrlich zu uns selber sein.
Wir müssen verstehen, dass es nicht helfen wird, noch ein cooles, zukunftsträchtiges Projekt zu lancieren, ohne dass wir uns vorher grundlegend Gedanken über Sinn, Vertrauen, Arbeit und Erfolg gemacht haben. Technik 4.0 und Prozesse 10.0 sind eben manchmal einfacher zu managen als der Mensch 1.0. Aber genau an diesen Menschen liegt es, ob die Digitalisierung als sinnvoller Fortschritt Vorteile bringt.
Mit Sinn zieht Digitalisierung an
Wer eine Transformation des Unternehmens im Bereich Digitalisierung plant und meint, dass es sich dabei um eine technische Veränderung handelt, die man mit Prozessen und Workflows umsetzt, wird brutal scheitern. Denn das wirklich Beeindruckende an der Digitalisierung ist, dass sie uns wieder zurück führt zum Menschen. Zu Begriffen wie Authentizität.
Eine schlanke Organisation lässt sich nur dann aufbauen, wenn gleichzeitig über Vertrauen und Sinn gesprochen, dies aber auch erkannt und akzeptiert wird. Künftig werden Unternehmer nur noch dann gute Mitarbeiter finden, wenn sie ihnen Sinn bieten.
Allerdings kann dieser nicht übergestülpt oder verordnet werden, sondern dieser Sinn muss in der ganzen Kommunikation und im ganzen Sein des Unternehmens und Unternehmers immer und überall spürbar werden. Das wird Mitarbeiter anziehen, die diesen Sinn ebenfalls sinnvoll finden.
Das disruptive Digitalisierungs-Schwein
Wer immer noch meint, diese Themen seien Wohlfühlthemen, der irrt gewaltig. Eine Alternative gibt es nicht. Man kann natürlich abwarten und Tee trinken. Das soll ja beruhigen. Wobei Forscher im Tee sogenannte Pyrrolizidinalkaloide nachgewiesen haben. Sie stehen im Verdacht, Krebs auszulösen. Was man daraus lernen kann? Auch Abwarten kann tödlich sein … Also doch lieber eine Strategie, wie die Transformation im Bereich Digitalisierung zu bewältigen ist?
Unternehmern, die mich danach fragen, empfehle ich augenzwinkernd das „Disruptive Digitalisierungs-Schwein“. Natürlich ist das provokativ gemeint und soll zunächst einmal irritieren. Doch etwas salopp ausgedrückt geht es dabei um „die arme Sau, die gerade durch die Management-Dörfer und Wirtschaftsliteratur getrieben wird“.
Digitalisierung und die damit verbundene Transformation mag im Moment eines der wichtigen Themen in Unternehmen sein. Dass es allerdings wirklich das brennendste Problem ist, glaube ich nicht. Auch wenn man es aufgrund unzähliger Artikel darüber meinen könnte. Es ist eben zu einseitig gedacht, dass wir einfach digitaler werden müssen, um dabei zu sein. Weil „man“ das so verlangt und weil es auch noch unglaublich cool wirkt.
Ohne Sinn hat alles keinen Sinn! Mitarbeiter schalten auf Durchzug, Innovationen verpuffen. Stehen hinter der Digitalisierung, hinter den verbesserten Prozessen, hinter der Transformation allerdings Menschen, die in ihrem Tun einen Sinn erkennen, müssen sich Unternehmen über das Gelingen keine Sorgen machen und können getrost den nächsten (technischen) Schritt in die Zukunft planen.
Über Stefan Dudas, SINNosoph
Stefan Dudas ist Business-Experte für Sinngebung. Der Keynote-Speaker, Coach und Autor des Buches „VOLL SINN – Nur was Sinn macht, kann uns erfüllen“ legt humorvoll und tiefsinnig das Fundament für neue Denk-Ansätze. Sein Suxess-System für sinnbasiertes Management vermittelt Sinnhaftigkeit in Führung, Kommunikation sowie Motivation.
Stefan Dudas
VOLL SINN
Nur was Sinn macht, kann uns erfüllen
264 Seiten, € 24,95
BusinessVillage Verlag, 2017
ISBN 978-3-8698-039-44
Mehr Infos: www.voll-sinn.com