Ein Prozent geht immer! Zugeständnisse ohne Gegenleistung
In dem zweiteiligen Beitrag unseres Gastautors Urs Altmannsberger erfahren Sie, wie Sie in Preisverhandlungen leicht und mit viel weniger Widerstand zu hervorragenden Zugeständnissen bzw. Savings gelangen. Mit Handlungs- und Sprachmustern, die Sie direkt in Ihrer Praxis einsetzen können.
Sie als EinkaufsleiterIn beziehungsweise EinkäuferIn kennen das: In Preisverhandlungen ist der erstgenannte Preis nie der letzte Preis. Zugeständnisse sind nötig – entweder ohne oder mit Gegenleistung in Form von Tauschgeschäften. Häufig jedoch vermischen sich diese beiden Arten der Zugeständnisse. Im Resultat verlieren wir dabei die Vergleichbarkeit mit dem vorherigen Verhandlungsstand und/oder die Vergleichbarkeit mit Wettbewerbsangeboten. Trennen Sie daher während Ihrer Verhandlungen stets Verhandlungsergebnisse mit und ohne Gegenleistungen.
In Verhandlungsrunden, bei denen es mehrere Wettbewerber gibt, sollte die Phase „OHNE Gegenleistung“ immer einen größeren Raum einnehmen.
Die Phase „MIT Gegenleistung“ wird dagegen stärkere Beachtung finden, wenn Sie nur mit einem Lieferanten verhandeln, etwa wenn es während einer Serienproduktion keine sinnvollen Ausweichlieferanten gibt. Sie befinden sich dann quasi in einer Einbahnstraße, die Sie ohne Alternativen zum Tauschhandel führt. Denn der selbstsicherere Lieferant muss Ihnen ja nicht entgegenkommen. Er erhält den Auftrag auch ohne Zugeständnisse.
Den erstgenannten Preis stets ablehnen
Doch nehmen wir hier die Verhandlung ohne Zugeständnisse genauer unter die Lupe. Als Merksatz gilt: Mindestens 1 Prozent geht immer!
Die erste Preisnennung in einer Verhandlung können Sie ohne nachzudenken ablehnen.
In der IT nennt man das „fest verdrahtet“. Es gibt genau eine Reaktion, und die heißt „Nein“! Wie scharf Sie das rüberbringen, hängt von der Lieferantenbeziehung ab. Das „Nein“ bleibt.
Findige Verkäufer werden Ihnen niemals im ersten Satz schon alle Zugeständnisse auf den Tisch legen. Als Erstes lässt der Verkäufer in der Regel einen Versuchsballon steigen. Nehmen wir an, er hat als Minimumpreis für eine Leistung 75 Euro im Kopf, schriftlich angeboten hat er ihnen aber 98 Euro. Wenn Sie nun nachhaken, nennt er Ihnen vielleicht 96,83 Euro. Der krumme Wert soll verdeutlichen, dass er wirklich knapp kalkuliert.
In den nächsten Sekunden beobachtet der Verkäufer Ihre Reaktion. Falsche Signale sind dann ein Problem. Wenn Sie seinen Preis „versehentlich“ abnicken, freut sich der Verkäufer über sein tolles Geschäft und bleibt hartnäckig beim hohen Preis. Besser ist also, wenn Sie den ersten Preis direkt und selbstsicher ablehnen beziehungsweise signalisieren: „Nein, inakzeptabel!“
Falsches Signal | Förderliches Signal |
Mit Kopf nicken | Kopf schütteln |
Wert notieren | Stift beiseite legen |
Checkblick zum Co-Verhandler | Keine Abstimmung nötig |
Entspannung Körper | Desinteressiert zurücklehnen oder sogar Arme vor Brust verschränken |
Tippen auf Taschenrechner | Bei so hohen Abweichungen brauchen wir keinen Taschenrechner, um zu erkennen: „Zu teuer!“ |
Die Führung in Ihre Zielrichtung übernehmen
Im Anschluss an Ihre ablehnende Reaktion sollten Sie direkt die Führung in Ihre Zielrichtung übernehmen. Fragen Sie den Verkäufer direkt nach weiteren Zugeständnissen. Etwa so: „Nein, der Preis reicht sicher nicht. Wie weit können Sie noch runtergehen?“ Oder: „Mit diesem Preis haben Sie keine Chance gegen Ihre Wettbewerber. Was ist tatsächlich ein marktgerechtes Angebot?“
Inzwischen weiß ich: Verhandlungen folgen meist den gleichen Mustern. Warum also jedes Mal sich neu einen Kopf um die richtigen Reaktionen machen? Mein Tipp: Legen Sie sich Ihren Formulierungssprachschatz jetzt direkt an! Finden Sie zu den obigen Sprachmustern zwei bis drei Alternativen und lernen Sie diese bis heute Abend auswendig. Einmal auswendig gelernt macht Ihren Kopf frei, spart Zeit und Stress.
Überprüfen Sie bei Ihren Sprachmustern:
- Welche Reaktion erwartet der Verkäufer von einem Einkäufer, der den ersten Preis nicht akzeptiert?
- Sind die angedockten Führungsfragen verständlich und offen formuliert (als W-Fragen mit wie weit, wie viel, was ist minimal …)?
- Eine Version ist an sich ausreichend, mehrere verhindern jedoch, dass Sie irgendwann entlarvt werden, wenn Sie häufiger mit einer Person verhandeln.
Gegenfragen des Verkäufers richtig kontern
Die Stolperfalle in der Praxis: Oft stellen Verkäufer Ihnen Gegenfragen und lenken Sie als EinkäuferIn/EinkaufsleiterIn von Ihrem ursprünglichen Plan ab. So folgt auf Ihre Frage nach einem besseren Angebot oft die Gegenfrage des Verkäufers: „Wie viel nehmen Sie denn ab?“ oder „Wann würden Sie denn unterschreiben?“. Antworten Sie dann auf keinen Fall! Sonst gewinnt der Verkäufer die Führung und die Verhandlung.
Hinterfragen Sie stattdessen Ihrerseits: „In welchem Zusammenhang steht der Unterschriftszeitpunkt mit Ihrem Angebot?“ Und weiter: „Und im günstigsten Fall, was wäre dann der Preis?“
Wenn Sie Informationen herausgeben, indem Sie antworten, wird der Verkäufer schlauer. Finden Sie stattdessen insgesamt oder teilweise heraus, wie der bestmögliche Preis kalkuliert wird. Dann werden SIE schlauer. Verrät Ihnen in unserem Beispiel der Verkäufer z.B.: „Bei einer Unterschrift vor Ende des Quartals kann ich Ihnen einen besseren Preis machen!“, merken Sie dessen Abschlussdruck und können ihn für Ihre Ziele einsetzen. Nutzen Sie dann den „PUH-Effekt“, – und somit die verhandelbare Masse: „Puh, vor Ende des Quartals? Da müssen Sie aber noch deutlicher runtergehen!“
Lesen Sie auch den zweiten Teil von „Einkaufskonditionen bestmöglich verhandeln“ von Urs Altmannsberger.
Der Autor
Urs Altmannsberger ist Trainer, Coach und Verhandlungsberater für EinkäuferInnen. Mit seiner Expertise für professionelles Verhandeln bringt er den Einkauf in Unternehmen strategisch voran und begleitet die Firmen dabei, anstehende Verhandlungen ergebnisorientiert zu verbessern, Konditionstitel zu entwickeln und die Beteiligten dafür fit zu machen. Zuvor war Urs Altmannsberger über viele Jahre selbst als Einkaufsleiter in mittelständischen und großen Unternehmen tätig. Sein Buch Profitabler Einkauf. Wie Sie als Einkäufer garantiert das beste Angebot verhandeln (Gabal 2016) hat sich rasch einen Spitzenplatz unter den Verhandlungsratgebern für EinkäuferInnen erobert. www.ursaltmannsberger.de