Keine Frage des Preises: Wir brauchen mehr Wettbewerb im Einkauf
Daten sind der Schlüssel zum Erfolg. Marketing- und Vertriebsteams generieren massive Datensätze über potenzielle Kunden und erstellen auf diese Weise passgenaue Analysen zu ihren Zielgruppen oder den Erfolg ihrer Kampagnen. Ein anderes Beispiel: Accounting-Teams prognostizieren detailliert und präzise die Umsatzentwicklungen des eigenen Unternehmens. Das Beschaffungswesen hingegen fällt aus der Reihe.
Noch immer klauben Einkäufer Informationen über ihre Zulieferer und den Lieferanten-Markt händisch zusammen. Sie benutzen Google-Recherchen, Ausstellerlisten von Messen, vertrauen auf das eigene Netzwerk. Folglich ist der globale Lieferantenmarkt für das Gros der Unternehmen höchst intransparent und undurchsichtig. Sie können ihre Informationen über Zulieferer einfach nicht standardisieren. Die Informationsgrundlage ist schlicht jedes Mal eine andere. Denn was Zulieferer im Netz preisgeben, ist alleine ihre Entscheidung. Und auch wie valide die Daten sind, kann in den meisten Fällen nur geschätzt werden.
Hinzu kommen Sprachbarrieren: Der mexikanische und der chinesische Zulieferer kommunizieren in ihrer eigenen Sprache. Und viele Unternehmen haben selten schnell einen Übersetzer zur Hand, der die Informationen akkurat und verlässlich kategorisiert. Das erschwert aussagekräftige Vergleiche zwischen potenziellen Lieferanten; macht sie zum Teil unmöglich. In der Folge werden ganze 80 Prozent der Kaufentscheidungen auf einer unvollständigen Entscheidungsgrundlage getroffen.
Kurzum: Viele Entscheidungen im Beschaffungswesen werden anhand einer schlechten Datengrundlage getroffen. Die Folge: Viele Einkaufsentscheidungen in den letzten Jahren geschahen vorrangig anhand der Faktoren Preis und Lieferfähigkeit. Das betrifft sowohl die Auswahl neuer Lieferanten als auch das Management von Bestandslieferanten. Und so haben viele Unternehmer Zulieferer in ihrem Portfolio, die ihnen vielleicht einen, auf den ersten Blick, ordentlichen Preis bieten und zuverlässig liefern, in anderen Bereichen aber hinterherhinken: etwa in der Innovationsfähigkeit oder der Umweltbilanz – nur um mal zwei Disziplinen zu nennen.
Die Einkaufsentscheider hatten in der Vergangenheit oftmals einfach nicht die Zeit und die Möglichkeiten, derartige Faktoren im großen Stil zu berücksichtigen. Sprich, nicht lediglich für ein, zwei Zulieferer herauszusuchen, sondern ganze Lieferanten-Listen einheitlich anhand dieser Kriterien zu vergleichen.
Doch unsere Wirtschaft befindet sich in einem Wandel. Die Elektromobilität macht beispielsweise in der Automobilbranche ganze Zuliefererzweige obsolet – und verlangt gleichzeitig nach neuen. Im selben Atemzug nimmt ein Lieferkettengesetz in Bälde die Unternehmen für die ethischen und ökologischen Praktiken ihrer Zulieferer in die Verantwortung. Breite, aussagekräftige und einheitliche Datensätze über den gesamten Zulieferer-Markt sind in der Folge essenziell. Und inzwischen möglich: Moderne KI-basierte Rechercheplattformen finden und vergleichen in Windeseile Millionen von Datenpunkten über Lieferanten aus aller Welt, egal in welcher Sprache.
Dabei verringern diese Technologien die Recherche im Vergleich zu manuellem Scouting von teils mehreren Monaten auf einige Tage. Informationen über bestehende und (potenzielle) neue Lieferanten – von Preisen über die Umweltbilanzen und Zertifizierungen bis hin zur wirtschaftlichen Stabilität – sind adhoc verfüg- und vergleichbar.
Kontinuierliches Anreichern von Daten
Kaum ein Unternehmen kennt seine Bestandslieferanten aus dem Effeff. Dadurch entstehen blinde Flecken, die für die Stabilität der Lieferketten zur Gefahr werden können. Klar ist: Je größer mein Lieferantenportfolio, desto schwieriger ist die stetige, manuelle Pflege der vorhandenen Informationen. Wenn diese Lücken aber nicht geschlossen werden, riskiert das Beschaffungsteam Nachteile auf mehreren Ebenen
Das gilt im übrigen auch für die Akquise von neuen Lieferanten. In Verhandlungen bestimmt die Marschroute, wer in puncto Wissen die Oberhand hat. Weniger Daten über die Verhandlungspartner, den Markt und Alternativen entsprechen weniger Einsichten über Stärken und Schwächen. Ergo: weniger Möglichkeiten, Verhandlungen zu steuern, Druck aufzubauen und Preisnachlässe zu argumentieren.
Unternehmen sind für die eigene Innovationskraft zudem auf ihre Partner, inklusive der Lieferanten, angewiesen. Datenbasierte Analysen erlauben den Beschaffungsteams rechtzeitig die Gewinner von Innovationsrennen zu identifizieren und auszuwählen. Mangelnde Kenntnisse wirken sich also direkt negativ auf die eigene Innovationsstärke und Marktposition aus während das kontinuierliche Anreichern von Daten die Entscheidungsgrundlage rund um das eigene Lieferanten-Netzwerk stärkt.
Die Verhandlungsposition stärken
Da Unternehmen für einzelne Teile oft nur wenige Lieferanten im Portfolio führen, spielen diese nicht selten ihre Machtposition aus. Fallen aufgrund der Pandemie oder wegen Handelshindernissen weitere der sowieso schon rar gesäten Lieferanten aus, wird die Verhandlungsposition auf Käuferseite schnell noch angespannter. Zu unvollständig sind Informationen zu alternativen Lieferanten, zu abhängig sind Unternehmen von Produkten der wenigen bestehenden Lieferanten. Und schon geben Zulieferer beispielsweise fallende Rohstoffpreise nicht an den Einkäufer weiter. Um dies zu ändern braucht es Wettbewerb. Denn ohne Wettbewerb können Unternehmen keine Vergleichsangebote zurate ziehen, sind gezwungenermaßen auf den Bestandslieferanten angewiesen.
Um diesen stetigen Wettbewerb zu schaffen, müssen Unternehmen ihre vorhandenen Bestandslieferanten und potenzielle Zulieferer vergleichen können. Ob Rohstoffpreise, Qualitätsmerkmale, Innovationsfähigkeit oder Zertifizierungen: Nur wenn sich ein Unternehmen der möglichen Schwachstellen und Stärken seiner Geschäftspartner bewusst ist – und diese gleichzeitig mit anderen Lieferanten am Markt vergleichen kann – können im Umkehrschluss Rabatte oder Zugeständnisse gemacht, höhere Qualität eingefordert oder Innovationen vorangetrieben werden.
Nachhaltigkeit beginnt mit der Lieferkette
Das Thema Nachhaltigkeit hat längst die Mitte der Gesellschaft erreicht. Lieferkettengesetz hin oder her: Mittelfristig müssen Unternehmen ihre Hausaufgaben im Pflichtfach Nachhaltigkeit auf allen Ebenen erledigen – inklusive dem Beschaffungswesen. Denn gerade der Einkauf offenbart großen Nachholbedarf.
Laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey entstehen 90 Prozent der Schäden von Unternehmen an der Umwelt entlang der Lieferkette. Jedem Unternehmen sollte dabei bewusst sein, dass sie für das Handeln ihrer Zulieferer Verantwortung tragen müssen. Ansonsten drohen irreparable Schäden, wie der Rückzug von Investoren, behördliche Maßnahmen und Haftungsansprüche. Und nicht nur das: Neue Analysen zeigen gar, dass Unternehmen mit umweltfreundlichen Lieferketten ihre Konkurrenz klar outperformen.
Doch (Bestands-)Lieferanten auf Nachhaltigkeit zu bewerten hat eine weitere Hürde zu nehmen: Welche Faktoren erlauben Unternehmen überhaupt, eine Aussage über die Nachhaltigkeit zu treffen? Und wo finde ich die relevanten Informationen?
Mittels moderner, IT-basierter Daten-Plattformen können Unternehmen auch hier aus allen frei verfügbaren Informationen die richtigen Schlüsse ziehen. Denn die Plattformen sichten sämtliche Zertifikate und Bewertungen anhand derer Unternehmen ihre (potenziellen) Lieferanten anhand gewisser Standards – etwa ISO-Normen – benchmarken können. Kurzum: Es entsteht jener erwähnte elementare Wettbewerb zwischen den Lieferanten.
Und in diesem dominiert nicht nur der Preis als entscheidender Faktor, sondern es werden Aspekte wie Nachhaltigkeit und Ethik abgewogen. So wirken Unternehmen moralisch fragwürdigen Praktiken entgegen und halten (mögliche) staatliche Regulierungen ein. Die Nachhaltigkeitsstrategie von Unternehmen bekommt auf diese Weise Hand und Fuß.
Transparenz über die gesamte Lieferkette
Bereits bei direkten Lieferanten sprengt eine manuelle Suche mit wirklich tiefgreifenden Ergebnissen, die obendrein kontinuierlich wiederholt werden muss, alle Rahmen der vorhandenen Ressourcen – selbst bei großen Unternehmen. Dabei ist Transparenz über die gesamte Lieferkette gleich aus mehreren Gründen unabdingbar.
Das Lieferantennetzwerk meiner Partner ist in puncto Risikomanagement entscheidend. Ist mein Zulieferer von einem oder wenigen Lieferanten abhängig, ist dieser entsprechend störanfällig. Nicht nur die direkten Lieferanten, sondern auch die Zulieferer meiner Zulieferer müssen entsprechend hohe Standards erfüllen; im Rennen um Innovation, in Qualitätsansprüchen, in Produktionsbedingungen und nicht zuletzt in Nachhaltigkeitsaspekten. Transparenz über die vollständige Lieferkette ist also gleichbedeutend mit einer vollumfänglichen Vergleichsmöglichkeit aller angesprochenen Faktoren, aller vorhandenen und aller potenziellen Lieferanten.
Digitale Tools versprechen hier Abhilfe, indem sie alle beteiligten Parteien in der Lieferkette kontinuierlich auf Grundlage verschiedenster Daten, von Zertifizierung bis Awards, von Kosten über Qualität, von Innovationsfähigkeit bis hin zu Nachhaltigkeit untersuchen und die Ergebnisse strukturiert in einem Dashboard darstellen. Unternehmen erhalten so übersichtlich und vollautomatisiert die Informationen, die sie für den langfristigen Erfolg des eigenen Beschaffungswesens benötigen.
Ein ganzheitlicher Einblick in den Pool an Bestandslieferanten hilft Unternehmen also auf mehreren Baustellen, minimiert Risiken, kann Kostenvorteile schaffen und unterstützt den Aufbau von nachhaltigen Lieferketten für die Zukunft. Gemeinsam mit der KI-basierten Lieferanten-Recherche unterstützt das automatisierte Benchmarking ganze Einkäuferteams, schafft Freiräume für fachlich wertvolle Aufgaben wie das Relationship Management und erlaubt Entscheidungen auf Basis fundierter Dateneinblicke zu treffen.
Über den Autor
Enno Arne Lückel ist Vice President of Sales bei scoutbee. Er verfügt über jahrelange (Führungs-)Erfahrung in der IT- und Software-Branche.
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