Agiler Einkauf & Digitalisierung: Wandel kommt nur langsam
Auf den Einkauf kommen durch die voranschreitende Digitalisierung sowie die vermehrte Anwendung von agilen Methoden in Unternehmen grundlegende Veränderungen zu. Gleichzeitig schätzen über 80 Prozent die eigene Einkaufsabteilung in diesem Zusammenhang jedoch als unzureichend aufgestellt ein. Und gerade einmal 6 Prozent beschäftigen sich konstruktiv mit den Auswirkungen. Zu diesem Ergebnis kam die Kurzstudie „Agiler Einkauf“, bei der über 150 ExpertInnen des Einkaufs zur Nutzung agiler Methoden befragt wurden. Durchgeführt wurde die Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Ayelt Komus, Professor an der Hochschule Koblenz.
Einkauf sieht sich mit grundlegenden Veränderungen konfrontiert
Agile Methoden gewinnen in den Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Nicht nur in der IT-Entwicklung spielen Methoden und Prinzipien aus den Bereichen „Scrum“, „IT-Kanban“ und „Design Thinking“ eine immer wichtigere Rolle. Vor dem Hintergrund von Herausforderungen und Chancen durch Digitalisierung, Globalisierung und Industrie 4.0 wird sich diese Entwicklung weiter verstärken. Gleichzeitig führen verschiedene Prinzipien wie rollierende Planung („Sprint Planning“), Auslieferung von Inkrementen („potentially deliverable products“) und selbstorganisierte Teams zu neuen Konstellationen, die sich nicht ohne Weiteres mit den tradierten Ansätzen des Einkaufs optimal berücksichtigen lassen (z.B. „Festpreis-Problematik“, Werkvertrag).
Diese Ansicht hat sich mittlerweile auch bei den EinkaufsexpertInnen durchgesetzt und so sieht eine große Gruppe von TeilnehmerInnen an der Online-Umfrage grundlegende Veränderungen an Aufgaben und Erfolgsfaktoren des Einkaufs zukommen. Nach mehrheitlicher Meinung gleichen sich diese Veränderungen mit den Chancen und Herausforderungen von Digitalisierung und Industrie 4.0.
Prof. Ayelt Komus zu den Studienergebnissen:
„Wir wissen, dass übereinstimmend die Einkaufsexperten weitreichende Veränderungen durch Digitalisierung und agile Methoden auf sich zukommen sehen. Zugleich müssen wir konstatieren, dass die Einkaufsbereiche sich selbst als schlecht aufgestellt einschätzen.“
„Die Studienergebnisse sind ein Weckruf für den Einkauf der Zukunft – insbesondere für die Einkaufsbereiche, die als ‚Einkauf auf Augenhöhe‘ eine positive Rolle bei der Gestaltung der Zukunft der Unternehmen spielen wollen.“
„Mit agilen Methoden lassen sich viel steilere Lernkurven erzielen – davon wird auch der Einkauf in Zukunft profitieren wollen und müssen.“
„Einkaufsabteilungen können mit Hilfe agiler Methoden ihre Prozesse verbessern, die Qualität der zu beschaffenden Produkte oder Dienstleistungen erhöhen und damit einen höheren Nutzen für ihre Kunden erbringen.“
„Wenn Leistungen beschafft werden, die agil erbracht worden sind, dann muss der Einkauf die dazugehörigen Terminologien und Konzepte beherrschen. Das Verständnis agiler Methoden ist die Voraussetzung dafür, dass der Einkauf auf Augenhöhe mit den Fachabteilungen und der Entwicklung zusammenarbeitet und so Mehrwert für das Unternehmen schafft.“
Einkaufsbereich reagiert zur Zeit lediglich passiv auf Veränderungen
Nach jahrzehntelang eingespielter Arbeit in der Angebotsvergabe und Vertragsgestaltung mit detaillierten Lasten- und Pflichtenheften erfordert die erhöhte Dynamik auf zunehmend internationalen Märkten nun einen flexiblen Beschaffungsprozess. Diese Entwicklung trifft die Betroffenen meist unvorbereitet, über 80 Prozent bezeichnen das Team als schlecht aufgestellt.
Die Hälfte der Befragten gab an, dass die Mehrheit der KollegInnen im Einkauf agile Methoden noch nicht als Veränderungsfaktor erkannt hat, fast 30 Prozent gaben an, dass die Mehrzahl der KollegInnen erst damit beginnt, den anstehenden Wandel vorsichtig zu unterstützen. Obwohl eindeutiger Handlungsbedarf bei der Weiterentwicklung des Einkaufs erkannt wurde, setzen sich zur Zeit gerade einmal 6 Prozent der Verantwortlichen aktiv und konstruktiv mit den Auswirkungen auseinander.
Größte Herausforderung: Organizational Change Management
Die TeilnehmerInnen erwarten deutliche und zum Teil sogar sehr weitreichende Veränderungen bei fast allen Aufgaben des Einkaufs. Die größte Herausforderung sehen die Befragten in der Akzeptanz der Veränderung bei den MitarbeiterInnen im Einkauf, die ihre Arbeitsweise künftig an agile Methoden anpassen müssen. Knapp die Hälfte der Befragten sieht ebenfalls eine große Herausforderung in der Akzeptanz der Unternehmensleitung. Der Wandel bringt nach Sicht der Teilnehmer vor allem weitreichende Änderungen in der Abstimmung mit den Fachabteilungen mit sich. Die stärkste Umstellung wird in Bereichen mit Bezug zur Software- und Produktentwicklung erwartet.
Einkauf muss handeln, um akzeptierter und gefragter Partner zu bleiben
Basierend auf den Studienergebnissen und Erfahrungen in der Einführung agiler Methoden leitet das Studienteam daraus folgende Empfehlungen ab:
- Vermitteln Sie Grundlagen bezüglich agiler Methoden, digitaler Transformation und Industrie 4.0.
- Verschaffen Sie sich Klarheit über die spezifische Situation in Ihrem Unternehmen.
- Stellen Sie sicher, dass die Differenzierung in den Einkaufsprozessen und Strategien zweckmäßig gelebt wird.
- Arbeiten Sie eng zusammen – vor allem mit Fachabteilung und Rechtsabteilung.
- Entwickeln Sie geeignete Skills und Vertragsarchitekturen.
- Machen Sie Ihre Prozesse fit für den agilen Einkauf.
- Reflektieren Sie die Persönlichkeitsprofile, Fähigkeiten und Neigungen Ihrer MitarbeiterInnen.
- Nutzen Sie agile Methoden auch in Ihren Prozessen.
- Starten Sie heute!
Einkaufsbereiche sollten diese Empfehlungen in Betracht ziehen, um so auch künftig akzeptierte und gefragte Partner „auf Augenhöhe“ innerhalb und außerhalb der Organisation zu sein.
Zur Studie
Die Studie wurde in Form einer Online-Befragung im vierten Quartal 2016 von Prof. Dr. Ayelt Komus, Professor an der Hochschule Koblenz, in Zusammenarbeit mit Heupel Consultants GmbH und Co. KG durchgeführt. Insgesamt nahmen über 100 Personen an der Umfrage teil. Der Studienbericht steht auf Wunsch gerne zur Verfügung unter https://www.process-and-project.net/Studie-agiler-EK oder per E-Mail an office@process-and-project.net.
(Quelle: PM HS Koblenz, Prof. Dr. Ayelt Komus)