Business-Analyse (Teil 3): Business-Analysten als Problemlöser
In diesem Teil der Reihe stelle ich Ihnen die Kernkompetenzen und Aufgabenbereiche von Business-Analysten vor, die genau für diese Aufgaben spezialisiert sind.
Was Sie bis jetzt hier in unserer Serie lesen konnten: Gelungene Projekte leben davon, dass Unternehmen Kosten und Nutzen im Vorfeld korrekt identifizieren und richtig bewerten und dann aus den gewonnenen Daten einen tragfähigen Business-Case erstellen. Dieser sollte dann aber nicht um jeden Preis statisch von Anfang bis Ende des Projektes durchgezogen, sondern bei Bedarf dynamisch gehandhabt und aktualisiert werden.
In den Teilen 1 und 2 ging es darum, wie tragfähige Business-Cases mithilfe des Benefits Dependency Networks (Teil 1) und einer expliziten Nutzenanalyse (Teil 2) erstellt werden. In diesem Teil der Serie erfahren Sie nun, wer eigentlich diese Schritte konkret anregt, ausführt und begleitet: Das ist nämlich die Kernkompetenz von Business-Analysten. Wenn Unternehmen Investitionsentscheidungen treffen müssen, unterstützten Business-Analysten als Experten, da sie Einblick in das Tagesgeschäft, in die Unternehmensstrategie und die Nutzenpotenziale von (IT-)Lösungen haben. Sie führen die Konzeption für solche Projekte durch und sorgen dafür, dass ihr Nutzen auch tatsächlich realisiert wird.
Losstürmen, ohne zu wissen, wohin
Denn wenn alle gleichzeitig losrennen, weil ein Projekt angedacht und angeschoben wurde und Auftraggeber und/oder Projektleiter schnelle Ergebnisse fordern, ist das Kind schon halb in den Brunnen gefallen. Dabei ist eine solche Situation ganz typisch: Es werden sogleich Tools angeschafft, ohne im Vorfeld Anforderungen zu erheben oder überhaupt zu definieren, was diese Tools überhaupt können sollen. Oder es werden Anforderungen erhoben, ohne vorher den Bedarf analysiert oder verstanden zu haben, was letztendlich der Nutzen sein soll. Oder, in einem weiteren Schritt: Wenn eine erste Lösung zu einem Problem scheinbar gefunden wurde, hört die Suche nach weiteren Lösungen sofort auf, damit es schnell weitergeht. Es wird also gar nicht mehr nach anderen Möglichkeiten zur Lösung Ausschau gehalten, sondern einfach entschieden: „Machen wir!“ – ohne weiter zu überlegen.
Das alles aber bleibt Unternehmen erspart, wenn ein guter Business-Analyst von Beginn an in das Projekt involviert ist!
Gute Frage: Was ist Business-Analyse eigentlich genau?
Laut der Definition aus dem Business Analysis Body of Knowledge® (BABOK® Guide), der vom International Institute of Business Analysis inzwischen schon in der dritten Version vorliegt, ist Business-Analyse die Tätigkeit, Veränderung in einem Unternehmen zu ermöglichen, indem der Unternehmensbedarf definiert und Lösungen empfohlen werden, die den Stakeholdern Wert bringen.
In fünf Phasen zum Projekterfolg
Und genau das machen Business-Analysten: Sie ermitteln alle nötigen Informationen, analysieren den präzisen Bedarf, evaluieren mögliche Lösungen, definieren die Anforderungen und unterstützten bei der Umsetzung der endgültigen Lösung – in der Regel in dieser Reihenfolge. Ihre Tätigkeit lässt sich also in diese fünf Phasen einteilen, wobei die ersten drei das ausmachen, was im Fachjargon „strategische Business-Analyse“ heißt, und die letzten zwei als „operative Business-Analyse“ bezeichnet werden.
Das Business-Analyse-Vorgehensmodell
Los geht’s – aber bitte mit Reflexion und Überlegung!
Wenn Sie so vorgehen, widerstehen Sie Ihrem ersten Impuls, stürmen Sie nicht gleich los wie oben beschrieben und gehen so vielen Fehlern und Schwierigkeiten einfach aus dem Weg:
Denn im ersten Schritt werden durch die Business-Analysten alle nötigen Informationen ermittelt und gesammelt. Das mag zunächst ein wenig nebulös und unscharf klingen – das ist aber auch so gedacht. „Keep an open mind“ ist nämlich in dieser Phase die allerwichtigste Grundeinstellung! Gute Business-Analysten gehen vorurteilslos an alles heran, nehmen alle Informationen erst einmal auf und fangen erst später an, Dinge zu evaluieren und Zusammenhänge zu identifizieren. Zunächst beschränken sie sich darauf, alles genau zu beobachten und zu begreifen. Dazu ist etwa das „Shadowing“ eine sehr geeignete Methode, bei der Business-Analysten das Leben und Treiben von Mitarbeitern in einer Abteilung einen halben oder ganzen Tag beobachten, um alle Tätigkeiten zu erfassen und zu verstehen.
Darüber hinaus sollten sie in dieser Phase alle Stakeholder des Projektes kennenlernen, hinterfragen, wer involviert ist und vor allem dabei niemanden vergessen – denn das könnte fatale Folgen haben, sowohl auf der sachlichen als auch auf der menschlichen Ebene.
In der zweiten Phase wird der Bedarf analysiert. Dabei ist es ganz besonders wichtig, den Nutzen zu verstehen (siehe auch Teil eins der Serie) und festzulegen, was eigentlich mit dem Projekt erreicht werden soll.
Und im dritten Schritt geht es darum, mögliche Lösungsansätze zu finden, um sie dann zu evaluieren und zu vergleichen. Business-Analysten wissen, dass es unbedingt notwendig ist, sich hierbei nicht nur auf einen einzigen Lösungsweg zu beschränken, sondern viele Perspektiven und Wege zu durchdenken. Eine tragfähige Bewertung der möglichen Ansätze ermöglicht etwa die in Teil zwei beschriebene explizite Nutzenanalyse, die sich eben nicht nur auf eine finanzielle Bewertung des Nutzens beschränkt.
Der Tag der Entscheidung – „Go“ oder „No-Go“?
Nachdem diese drei Phasen durchlaufen sind, findet der Übergang in die operative Phase und zu den „richtigen“ Projekten statt. Eine Entscheidung, ob und wie das Projekt durchgezogen werden soll, wird nun auf der Basis des Business-Cases getroffen, der bei Bedarf noch mal durch die in den ersten drei Phasen gewonnen Erkenntnisse aktualisiert wird.
Und dann kann es losgehen mit der operativen Phase der Business-Analyse:
Hier definieren Business-Analysten in einem vierten Schritt die genauen Anforderungen – im Grunde also findet an dieser Stelle Requirements Engineering statt. Dabei gibt es eine Menge von unterschiedlichen Methoden, die dabei helfen, wie Anforderungen an eine Lösung, etwa an eine IT-Lösung wie im ersten Teil der Serie, so zu beschreiben, dass alle, die später damit arbeiten sollen, dies auch erfolgreich tun und somit alle Veränderungen passgenau umgesetzt werden können. Dabei ist es sehr wichtig, dass in der Business-Analyse, unabhängig davon, welche Methode letztlich angewendet wurde, alle Anforderungen genau und eindeutig beschrieben, und dass die daraus entstandenen Ergebnisse für alle Beteiligten gut lesbar und verständlich dargestellt werden.
Und last, but not least, müssen im fünften Schritt alle angedachten und geplanten Veränderungen auch umgesetzt werden. An dieser Stelle wechsel man als Business-Analyst allerdings vom Fahrer- in den Beifahrersitz und berät vor allem den Projektleiter bei der Umsetzung und Realisierung.
Ein spannendes Berufsfeld – wie wird man Business-Analyst?
Egal, ob ich nun durch die detaillierte Beschreibung der Arbeit der Business-Analysten bei Ihnen Interesse an diesem Berufsfeld geweckt habe oder ob Sie gerne erfahren möchten, worauf Sie achten können, wenn Sie Business-Analysten in Ihrem Unternehmen auf Projekte ansetzen – lesen Sie noch kurz weiter, und Sie erfahren, worauf es bei guten Business-Analysten ankommt.
Persönlichkeit ist gefragt
Ein Hauptaugenmerk liegt auf den persönlichen Kompetenzen der Business-Analysten: Auf jeden Fall sollten sie
→ analytisches Denken und Problemlösefähigkeit mit Liebe zum Detail, kreativem Denken und Entscheidungsfreudigkeit mitbringen,
→ eine ausgeprägte Interaktionsfähigkeit (zur Moderation von Workshops und mit der Bereitschaft, Beziehungen aufzubauen und in sie zu investieren) besitzen,
→ ein offenes Auftreten und Verhalten, das Veränderungsbereitschaft signalisiert und auch in anderen triggert, an den Tag legen sowie
→ Selbstbewusstsein und eine
→ große Freude an Kommunikation (in beide Richtungen, also zum Reden UND Zuhören sowie zum Zeichnen und Schreiben, um Dinge klar und verständlich darzustellen) haben.
Daneben sind Skills wie allgemeines Wirtschaftswissen, spezielleres Domänenwissen sowie bestimmte Methodenkompetenzen, etwa zum Aufspüren möglicher Lösungen, unumgänglich.
Alle Anforderungen an einen guten Business-Analysten werden sehr gut im Skill-Modell „T-förmiger Business-Analyst“ dargestellt: Es braucht breites Wissen in verschiedenen Disziplinen, um etwa immer die Unternehmensstrategie und das „große Ganze“ im Blick zu behalten, aber in bestimmten Bereichen eben auch das tiefe Wissen für die speziellen Einsatzgebiete, also etwa IT-Wissen für IT-Projekte oder organisationales Wissen für Projekte, die Organisations-Entwicklung betreffen.
T-förmig
Und noch ein Tipp: Wenn Sie auf der Suche nach einem geeigneten Business-Analysten sind, suchen Sie sich nicht nur nach Fachkompetenzen, also das tiefe Wissen. Viele Unternehmen wollen, dass Business-Analysten relevantes, fachspezifisches Wissen mitbringen – also, je nach Projekt, Verrechnungsexperten oder auch Logistikexperten sind. Meine Erfahrung ist: Das ist nicht immer sinnvoll, weil Business-Analysten dadurch eine Art „Scheuklappe“ tragen, mehr zu Betriebsblindheit neigen und eher Gefahr laufen, die wichtigen Themen, die oft auch abseits liegen, zu vergessen. Achten Sie also lieber auf einen guten Mix von persönlichen Eigenschaften und Fach- und Methodenkompetenzen – das verspricht mehr Erfolg!
(BABOK ist ein eingetragenes Markenzeichen des International Institute of Business Analysis.)
Buchtipp
Ingrid und Peter Gerstbach
BASISWISSEN BUSINESS-ANALYSE
Probleme lösen, Chancen nutzen
336 Seiten
19,99 Euro / ISBN 978-3-86881-574
Redline Verlag, 2014
Jedes Unternehmen hat Ziele, die es am Markt erreichen will. Dabei müssen Prozesse, Organisation und IT aufeinander abgestimmt sein, um den Weg zum Ziel zu unterstützen. Welche Unternehmensbedürfnisse lassen sich ableiten und welche konkreten Anforderungen entstehen daraus? Wie lässt sich die Unternehmensstrategie bis auf die Projektebene übertragen? Welche Lösung ist für den Unternehmensbedarf am besten geeignet? Genau diese Fragen zu beantworten, ist die Aufgabe des Business-Analysten. In dieser umfassenden Einführung erhält der Leser ein fundiertes und methodisches Rüstzeug, um die komplexen Jobanforderungen im Alltag zu meistern. Sie erfahren, was Business-Analyse genau ist und welche Tools dabei helfen, die Ziele des Unternehmens zu erreichen.
Über die Autoren
Peter Gerstbach ist Business-Analyst, Unternehmensberater, Trainer und Coach. Er berät mittelständische Unternehmen bei der Entwicklung und Konzeptionierung von IT-Projekten.
Ingrid Gerstbach ist Wirtschaftspsychologin und Unternehmensberaterin mit dem speziellen Fokus auf Design Thinking und Innovationsmanagement. Sie unterstützt mittelständische Unternehmen bei der Entwicklung von Veränderungen.