BMÖ-Umfrage zu Auswirkungen von COVID-19
Als Folge der Corona-Krise erwarten 82% der Unternehmen negative Auswirkungen auf ihren Jahresumsatz – in Teilen bis 30% und mehr. 63% melden Störungen in der Lieferkette und eine unsichere Versorgungslage, und bei 11% ist die Kette komplett unterbrochen. Das sind zentrale Ergebnisse einer Umfrage, die der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich (BMÖ; Wien) vom 27. März bis 03. April 2020 gemeinsam mit der STÖHR FAKTOR Unternehmensberatung (Erkrath) und der International School of Management (München) durchgeführt hat. Eruiert wurde, wie Einkauf und Supply Chain Management (SCM) die Lage einschätzen und welche Maßnahmen ergriffen werden. Es beteiligten sich 74 Unternehmensvertreter aus Österreich und Deutschland.
Wesentliche Ergebnisse
- 82% erwarten eine negative Auswirkung auf ihren Jahresumsatz.
- Die Unternehmen, die Abweichungen quantifizieren können, erwarten mehrheitlich einen Umsatzrückgang zwischen 10 und 30%, in Teilen darüber hinaus.
- Der Auswirkungsumfang ist für viele indes noch nicht absehbar.
- 65% haben Kurzarbeit verordnet.
- 32% stellen derzeit keine neuen Mitarbeiter ein.
- 38% haben einen Investitionsstopp verhängt.
- 63% melden Störungen in der Lieferkette und eine unsichere Versorgungslage.
- Bei 11% ist die Kette komplett unterbrochen; 49% berichten von Produktionsstörungen.
- Bei 58% ist die Nachfrage nach Produkten gestört bzw. unsicher; bei 15% ist diese komplett eingebrochen.
- Über 50% rechnen mit weiteren massiven Störungen in den kommenden drei Monaten.
- Jedes vierte Unternehmen sieht sich derzeit mit Preiserhöhungen konfrontiert.
Maßnahmen
- 61% der befragten Unternehmen haben eine „Corona-Task Force Einkauf“ gebildet.
- Zuweilen werden standardisierte Regelwerke im Einkauf ausgesetzt, um rascher agieren zu können.
- Bevorratung ist die am häufigsten ergriffene Ad-hoc-Maßnahme, gefolgt von Suche nach Alternativlieferanten und -produkten, Erhöhung der Bestellmengen, Dual Sourcing sowie In-Sourcing (Eigenfertigung) und beabsichtigtem Ausbau von Regional Sourcing (vs. Global Sourcing) etc.
- Auch Risikomanagement dominiert im Krisenmodus.
- Sachkostenreduktion wird stark an Bedeutung gewinnen.
Erkenntnisse
- Der Grad der Lern- und Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens wird zum erfolgskritischen Faktor.
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist die zentrale Antwort auf Covid-19-Herausforderungen.
- Innerhalb des Einkaufs ist eine höhere Prozesseffizienz in operativen Arbeitsabläufen durch Digitalisierung erforderlich. Nur so werden Kapazitäten für operatives und strategisches Krisenmanagement für die Nachkrisenzeit geschaffen.
- Neben kurzfristig wirkenden “quick wins“ gilt es für Einkauf/SCM frühzeitig nachhaltige Kostenoptimierungsmaßnahmen zu entwickeln; etwa durch Variabilisierung der Kostenstrukturen.
- Kontinuierliche Risikobewertung der Liefermärkte bleibt auch nach dem Krisenmodus eine zentrale Anforderung.
- Risikomanagement ist anzupassen und um Simulationsmodelle zu erweitern.
„Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind für Österreich in besonderem Maße erschwert: Für Österreich, das deutlich mehr als andere Länder von Zulieferungen an die Automobilindustrie abhängig und vom Tourismus geprägt ist, dürfte das Minuswachstum der Wirtschaftsleistung mit größter Wahrscheinlichkeit wesentlich über den bisherigen Expertenschätzungen liegen, nämlich bei -20% und in Teilen sogar mehr. Den Verantwortlichen in Einkauf und Supply Chain Management kommt nicht nur die Aufgabe der Versorgungssicherung und Aufrechterhaltung der Lieferfähigkeit des Unternehmens zu, sondern auch die Rolle des Frühwarnindikators und Krisenmanagers im Unternehmen und in der gesamten Volkswirtschaft. Die Bildung einer ,Task Force Corona‘ im Einkauf ist Gebot des unternehmerischen Risikomanagements. Entscheidende Grundlagen für weitere Maßnahmen der Unternehmen – über den Krisenmodus hinaus – hängen stark von belastbaren Zahlen ab, die vielfach der Einkauf liefert“, so Heinz Pechek, geschäftsführender Vorstand, BMÖ.
Patrick Stöhr, Geschäftsführer, STÖHR FAKTOR Unternehmensberatung GmbH, ergänzt: „Die Umfrage unterstreicht das Ausmaß der kritischen wirtschaftlichen Situation vieler Unternehmen. Es zeigt aber auch, mit welcher Bandbreite an Instrumenten Einkauf und SCM wesentliche Beiträge zum Krisenmanagement leisten können. Wichtig ist aber, nicht nur den Krisenmodus zu managen, sondern sich auch für die Zeit danach aufzustellen. So ist es kontraproduktiv, Investitionsstopps bei Zukunftsthemen als derzeit unvermeidlich zu deklarieren. Das betrifft insbesondere Digitalisierungsvorhaben, bei denen sich viele Unternehmen in Österreich und Deutschland bisher schon schwergetan haben. Erfolgsfaktor wird dabei sein, parallel zum wirtschaftlichen Wiederaufleben auch Vorhaben in Angriff zu nehmen, die die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen stärken. Hier sind insbesondere Kollaborationsplattformen und digitale Lösungen, etwa Process Mining, zu nennen.“
Vollständige Auswertung der Umfrage (PDF)
Management Summary (PDF)
(Quelle: BMÖ; Bild von Gerd Altmann auf Pixabay)