Preise systematisch auf Plausibilität prüfen
Wer seine Kosten im Einkauf optimal unter Kontrolle halten will, muss die einzelnen Warengruppen ständig überprüfen – zum einen um Einsparpotenziale zu identifizieren, zum anderen um die Preiskonsistenz innerhalb der Warengruppen sicherzustellen. Viele Einkäufer nutzen hierfür die – recht aufwendige – Methode der Kostenanalyse. Inzwischen setzt sich mit dem Performance Pricing (PP) jedoch ein alternativer Ansatz durch, der mit einer höheren Praxistauglichkeit punkten will. Doch worin unterscheidet sich PP von der klassischen Kostenanalyse?
Die Perspektive wechseln: Leistung und Nutzen statt detaillierte Kosten
Die klassische Kostenanalyse baut auf den Ideen der Kostenrechnung auf: Sie zeigt, welche Kosten angefallen sind (Kostenarten), wo diese Kosten angefallen sind (Kostenstellen) und wofür die Kosten angefallen sind (Kostenträger).
Ziel der Kostenanalyse ist stets, die Berechnung des Verkaufspreises verschiedener Teilenummern möglichst genau nachzustellen. Die Idee dahinter ist folgende: Je detaillierter die Berechnung des Verkaufspreises bekannt ist, umso einfacher lässt sich prüfen, ob der Preis korrekt ist bzw. an welchen Stellen der Einkäufer nachverhandeln kann.
Das Performance Pricing geht gänzlich anders vor, wie schon der plakative Name vermuten lässt: Beim PP steht die „Performance“, also die Leistung (Nutzen, Wert) von Beschaffungsobjekten im Verhältnis zum Preis im Mittelpunkt, landläufig als Preis-Leistungs-Verhältnis bekannt. Das PP berechnet anhand nachvollziehbarer Daten eine Zielpreisformel, welche die Leistungsparameter berücksichtigt.
Praxisbeispiel PP – Zielpreisformel und Zielpreis
Für die Warengruppe „Kondensatoren“ sollen die Ist-Preise der einzelnen Artikel per PP analysiert werden. Die Analyse erfolgt softwaregestützt mit dem Tool NLPP, welches speziell für PP-Auswertungen entwickelt wurde. Der Einkauf definiert die für Kondensatoren relevanten Leistungs- und Preistreiber, die anschließend im Verhältnis zum Preis ausgewertet werden:
- Ladezeit
- Kapazität
- Lebensdauer
Mit Hilfe dieser Angaben berechnet NLPP automatisch die Zielpreisformel:
Zielpreis = exp (0,140 + 3,05 * 1/Ladezeit + 0,342 * Kapazität + 1,224 * Lebensdauer)
Der Zielpreis wird dann ebenfalls automatisch durch die Software berechnet, indem die Werte für die Leistungs- und Preistreiber jeder Sachnummer in die Formel eingesetzt werden. Nach wenigen Sekunden stehen dem Einkäufer die Zielpreise für jedes Teil zur Verfügung. Liegt der Ist-Preis über dem Zielpreis, wird das Teil momentan zu teuer eingekauft.
Zusammengefasst: Die Kostenanalyse fokussiert sich auf die Kosten, ohne die Leistung zu betrachten. PP zielt hingegen rein auf die Leistung im Verhältnis zum Preis ab, um gute bzw. schlechte Angebote zu identifizieren.
Die Daten sammeln: Sachmerkmale statt viele Einzelkosten
Die beiden Methoden unterscheiden sich auch hinsichtlich der erforderlichen Daten: Die Kostenanalyse benötigt Daten wie Maschinenstundensätze, Lohn- und Lohnnebenkosten, Gemeinkostensätze und nutzt Informationen aus dem Organigramm, den Schichtsystemen etc. Es wird eine komplette Kostenkalkulation aufgebaut. Viele dieser Informationen sind für konkrete Lieferanten allerdings nicht verfügbar und können nur mit viel Mühe ermittelt werden oder müssen geschätzt werden.
Im Vergleich zur Kostenanalyse sind die Eingangsdaten für das PP einfacher aufzufinden. Man benötigt die Einkaufsmenge, den Einkaufspreis und die Werte der Leistungsparameter (oft Teil der Spezifikation, z.B. Größe, Gewicht, Oberflächenbeschichtung: ja/nein). Praktisch dabei: Die Leistungsparameter führen zu keinerlei Diskussion zwischen Einkauf und Lieferant, da diese eindeutig feststehen.
Den Zeitbedarf abschätzen
In puncto Zeitbedarf zeigt sich der gravierendste Unterschied der Methoden. Bei der Kostenanalyse ist es notwendig, für jede Teilenummer (oder Teilenummern, die gleichartig produziert werden) eine Kalkulation aufzubauen und für jeden Lieferanten die entsprechenden Daten zu erheben – bei hunderten oder gar tausenden von Teilenummern eine schier unlösbare Aufgabe.
Die Berechnung der PP-Zielpreisformel dauert bei Zuhilfenahme einer PP-Software in der Regel nur wenige Sekunden. Dann liegen für jede Teilenummer drei Zielpreise vor: der wahrscheinlichste, der günstigste und der teuerste zu erwartende Zielpreis.
Die PP-Software NLPP der Schweizer Saphirion AG zeigt drei Zielpreise: Die Punkte über der Benchmark-Linie signalisieren „teurer als der wahrscheinlichste Zielpreis“, die Punkte darunter „günstiger als der wahrscheinlichste Zielpreis“
Universalität und Robustheit
Die klassische Kostenanalyse zeigt ihre Stärken in der sehr detaillierten Betrachtung von Kosten, was erfahrungsgemäß in rund 20% aller Preisanalysen erforderlich ist.
Vor allem bei Einmalbedarfen erweist sich die zeitraubende Kostenanalyse hingegen als nur sehr eingeschränkt geeignet. Hier empfiehlt es sich, PP den Vorzug geben, da die Zielpreise rasch anhand verfügbarer Spezifikationen berechnet werden können.
Genauso stößt die Kostenanalyse an ihre Grenzen, wenn komplette Portfolios von Teilenummern (eine Warengruppe, das Angebotsspektrum eines Lieferanten, komplette Sourcing-Regionen, Ausschreibungen) zu analysieren sind. Bei diesen Anforderungen kommt der Einkäufer nicht umhin, eine „Big Data“- bzw. „Predictive Analytics“-Applikation wie NLPP anzuwenden, welche auch bei großen, variierenden Datenmengen sofort aussagekräftige Ergebnisse liefert.
Weiterer Vorteil von PP: Qualitative Faktoren wie Servicequalität, Lebensdauer, Reaktionszeiten etc. fließen in die Preisbewertung ein. Die Kostenanalyse bewertet diese Punkte nicht. Sie zeigt nur die assoziierten Kosten.
Dieser Beitrag wurde unter Verwendung von Material der Saphirion AG erstellt.
(Bild von Gerd Altmann auf Pixabay)