Studie: Jedes vierte Automobilunternehmen plant Kooperationsoffensive
Die Automobilbranche will die Zusammenarbeit mit anderen Firmen deutlich ausbauen. Derzeit investiert rund jedes fünfte Unternehmen in Kooperationen. Das soll sich bald ändern. Bis 2021 wollen sich weitere 25 Prozent engagieren. Partnerschaften sowie die Beteiligung an Konsortien und offenen Ökosystemen sollen neuen Antrieben wie dem Elektroauto schneller zum Durchbruch verhelfen. Zudem will die Branche durch mehr Kooperationen erforderliche Standards rascher voranbringen, beispielsweise beim Thema digitale Sicherheit und beim autonomen Fahren. Das ergibt die Studie „Branchenkompass Automotive 2019“ von Sopra Steria Consulting.
Die Automobilbranche schaltet von Abschottung auf Öffnung. Ein zentraler Treiber für den strategischen Schwenk ist die Elektromobilität. Der japanische Autobauer Toyota hat vor kurzem einen gebührenfreien Zugang zu seinen fast 24.000 Patenten im Zusammenhang mit Elektrifizierungstechnologie und -systemen bis 2030 geschaffen. Ziel ist, vom Verkauf von Komponenten und von Preissenkungen bei Bauteilen zu profitieren. Die Zusammenarbeit mit Konkurrenten ist in der Automobilindustrie kein Tabu.
Die Ko-Fertigung von standardisierten Teilen wie Scheibenwischern ist längst gang und gäbe. Um Entwicklungen voranzutreiben, die allen nutzen, sind Kooperationen auch zwischen Wettbewerbern kein Tabu. In Deutschland bauen Daimler und BWW mit Share Now an einer gemeinsamen Mobilitätsplattform. Beide Unternehmen bündeln ihre Kräfte im Dienstleistungsgeschäft, um ihre Angebote schneller und zu geringeren Kosten anbieten zu können.
Der Eintritt in neue Märkte führt in der Regel ebenfalls über Partner als Brückenköpfe. Volkswagen steigt mit seiner Energiemarke Elli gerade in das Stromversorgergeschäft ein und sucht große Filialketten als Partner für Ladestationen auf deren Kundenparkplätzen. Die Reaktion der Energiekonzerne zeigt zudem, dass die Branche weniger neue Konkurrenz fürchtet, sondern sich auf künftige Partnerschaften mit dem Autohersteller freut, beispielsweise im Energiedatenmanagement.
Alt-IT behindert Kooperationen
Viele Vorhaben zur Zusammenarbeit in der Automobilbranche stoßen allerdings auf Widerstände. Eine zentrale Barriere sind die oftmals noch zu komplexen IT-Systeme bei Herstellern und großen Zulieferern. Mehr als jedes dritte Unternehmen arbeitet an einer Neuausrichtung der IT-Infrastruktur und investiert in die Anpassung der Organisation an moderne Strukturen sowie in die Nutzung neuer Technologien in den internen Abläufen. „Speziell wenn es darum geht, sich digitalen Plattformen anzuschließen oder selbst digitale Ökosysteme aufzubauen, wird die Automobilbranche massiv in durchgehend digitale Geschäftsprozesse investieren müssen“, sagt Ziad Blal, verantwortlich für den Geschäftsbereich Automotive bei Sopra Steria Consulting.
Automobil- und Digitalbranche rücken zusammen
Um die IT-Erneuerung abzukürzen, rücken Automobil- und Digitalbranche enger zusammen. Die Konzerne BMW und Volkswagen öffnen beispielsweise ihre Fertigungsplattformen und kooperieren beide mit dem IT-Riesen Microsoft. Die Produktionsprozesse sollen sich durch Cloud-Computing und intelligente Software beschleunigen. Gleichzeitig soll es deutlich einfacher werden, Daten und Prozesse mit anderen Unternehmen zu teilen, damit daraus schneller neue Produkte und Dienstleistungen entstehen können.
Mit eigenen 5G-Netzen will BMW zudem die Fabrikvernetzung und den Datenaustausch ausbauen. Diesen Schritt wird der Autohersteller wahrscheinlich nicht im Alleingang meistern: „Auch wenn Automobilproduzenten künftig eigene 5G-Netze besitzen, werden sie für den Aufbau und den Betrieb auf die Kompetenzen der Telekommunikationsbranche zurückgreifen. Die großen Netzbetreiber werden ihr Leistungsangebot entsprechend anpassen und beispielsweise abgespeckte Infrastruktur und so genannte Managed Services anbieten“, so Ziad Blal von Sopra Steria Consulting.
Die Studie
Die Studie Branchenkompass Automotive 2019 zeigt, wie die Automobilhersteller und Zulieferer angesichts der vielen Veränderungen bei Antriebstechnologien, Fahrzeugnutzung und durch neue Wettbewerber in den kommenden Jahren wachsen wollen und welchen Herausforderungen sich die Unternehmen stellen müssen. Das Marktforschungsinstitut Forschungswerk führte hierfür im Herbst 2018 im Auftrag von Sopra Steria Consulting und dem F.A.Z.-Institut eine Befragung von 100 Entscheidern sowie Fach- und Führungskräften der Automobilbranche durch. Als Befragungsmethode wurde CATI (Computer Assisted Telephone Interviewing) eingesetzt. Teil der Studienergebnisse sind zudem drei vertiefende Interviews mit Spitzenvertretern der Branche über ihre Standpunkte und Erfahrungen. Die Studie kann hier bestellt werden (kostenpflichtig).
(Quelle: ots / Sopra Steria Consulting; Bild von Gerd Altmann auf Pixabay)