„Einkauf ist einfach meine berufliche Leidenschaft“
Johanna Schwabach, MSc, MBA, leitete für mehr als 16 Jahre den Bereich Beschaffung und Logistik im AIT. Die Austrian Institute of Technology GmbH ist die österreichweit größte Organisation für Research and Technology und dementsprechend vielfältig sind die Aufgaben des Einkaufs. Ein Gespräch über eine erfolgreiche Karriere sowie die Rolle und Zukunft des Einkaufs – und einige Botschaften an Einsteigerinnen und Einsteiger in das Berufsfeld Einkauf.
E&M: Auf welchem Weg sind Sie zum Einkauf im AIT gekommen?
Johanna Schwabach: Ich bin nach der Handelsakademie in das Unternehmen gekommen, wo ich im technisch/kaufmännischen Bereich gestartet habe. Mein Weg in den Einkauf war dann eher zufällig: Ich war in einer Phase der Veränderung, mein damaliges Betätigungsfeld hat mich nicht mehr ausgefüllt, als eine Stelle im Einkauf frei wurde. Ich habe mich beworben und habe gleich bemerkt: Das ist meine Leidenschaft. Vom ersten Tag an habe ich mich dort entfalten können. Und nach 15 Jahren als Mitarbeiterin im Einkauf mit diversen Einkaufsgebieten habe ich dann die Leitung im Einkauf übernommen, die ich jetzt mehr als 16 Jahre innehatte. Meine anfänglichen Grundkenntnisse für den Einkauf habe ich in der „Akademie für Einkauf & Supply Management“ beim ÖPWZ erworben, wobei ich damals noch nicht wusste, dass es mich später intensiver zum ÖPWZ – in den Vorstand des Forum Einkauf – verschlagen wird.
Was begeistert Sie am Einkauf?
Einkauf ist einfach meine berufliche Leidenschaft. Grundsätzlich auch deswegen, weil Einkauf so ein breites Spektrum an Anforderungen und Herausforderungen bietet und weil eben der Einkauf eine Supportabteilung ist – mit den meisten Schnittstellen innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Weil der Einkauf immer wieder Neues bietet, weil man immer wieder vor neue Aufgaben gestellt ist, weil man sich immer wieder neu ausrichten kann und muss, habe ich mein Aufgabengebiet immer als sehr spannend empfunden. Gerade deswegen ist es mir dadurch auch meistens leicht gefallen. Denn wenn man das tut, was man gerne tut, stellt man sich diesen Herausforderungen auch gerne.
Sie haben gesagt, der Einkauf ist eine Supportabteilung. Sehen Sie den Einkauf auch als eine Abteilung, die gestaltet?
Der Einkauf gestaltet natürlich, weil man die Prozesse, die Tools, die strategische Ausrichtung gestalterisch betrachten kann. Im AIT sind wir wissenschaftlich ausgerichtet, wir sind ein Research-Unternehmen, und da ist der Einkauf klassisch eine Supportabteilung. Aber Gott sei Dank mit einem sehr hohen Stellenwert und nicht nur, weil wir ein öffentlicher Auftraggeber sind, weil wir von vielen Stellen geprüft werden, weil die Einhaltung der Prozesse von uns sehr gefordert wird. Nur transparente, verständliche und lebbare Prozesse werden in einem Unternehmen akzeptiert. Und ich glaube sagen zu können, dass es uns gut gelungen ist, im Laufe der Jahre zu einer anerkannten Supportabteilung heranzuwachsen.
Als ich die Leitung übernommen habe, haben wir über den Status des Einkaufs im Unternehmen oft diskutiert, über dieses Jammern, dass wir nicht anerkannt sind und dass sich der Einkauf immer wieder aufs Neue bewähren muss. Und deswegen haben wir sehr, sehr stark an der Qualität gearbeitet. Wir wollen und wollten mit Qualität und Verlässlichkeit punkten. Wir haben unsere Prozesse, unsere Durchlaufzeiten, wir haben unsere Vorgaben, und ich habe immer gesagt: „Wo Einkauf draufsteht, muss Einkauf drin sein.“ Nur wenn wir der Erwartungshaltung der Bedarfsträger und Bedarfsträgerinnen gerecht werden, wenn wir in der täglichen Praxis mit Weitblick, prozesskonform agieren und im Sinne des großen gemeinsamen Ganzen arbeiten, werden wir als gleichberechtigter Partner akzeptiert werden.
Was hat sich im Laufe der Jahre im Einkauf verändert, was ist gleich geblieben?
Verändert haben sich aus meiner Sicht neben den Tools vor allem die Durchlaufzeiten und die stets steigenden Anforderungen. Einkäufer und Einkäuferinnen müssen heute veränderungsagil sein, ohne die Qualität und den Prozess aus den Augen zu verlieren. Dabei haben aber gleichzeitig die einfachen Grundprinzipien, ausgedrückt in der 6-R-Regel, nicht an Bedeutung verloren: das richtige Produkt zur richtigen Zeit am richtigen Ort in der richtigen Menge in der richtigen Qualität zum richtigen Preis. Dieses Ziel ist noch immer dasselbe, die Wege und die „Transportmittel“ dorthin ändern sich jedoch ständig.
Welche speziellen Herausforderungen, aber auch Möglichkeiten für den Einkauf wie auch für den einzelnen Mitarbeiter, die einzelne Mitarbeiterin bietet das Umfeld in Ihrem Unternehmen?
AIT ist österreichweit die größte Research-and-Technology-Organisation, und dementsprechend vielfältig sind auch die Anforderungen an den Einkauf. Was mich immer fasziniert hat, ist dieses breite Spektrum von Forschung und Entwicklung. Wir haben acht Themengebiete, acht Centers, die sich in ihrem Core-Geschäft, in ihren Aufgaben sehr unterscheiden, und ebenso unterschiedlich sind auch die Bedarfe. Ein solides Grundwissen ist dabei enorm wichtig.
Jede Einkäuferin, jeder Einkäufer muss Kompetenz auf dem Gebiet zeigen, für das sie oder er verantwortlich ist. Aufgrund des breiten Beschaffungsspektrums sind neben den Eigenschaften des Spezialisten, was Beschaffung anbelangt, auch die Fähigkeiten des Generalisten gefragt. Wie eingangs erwähnt, geht es bei uns nicht um die hohen Einkaufsvolumina, sondern um die vielen unterschiedlichen, spezifischen Beschaffungen, über Dienstleistungen, Lieferaufträge, Bauaufträge in allen Gebieten, seien es jetzt wissenschaftliche Anlagen oder Gebäude oder Infrastruktur, bis zum ganz normalen Materialeinkauf just in time.
Im Laufe der Zeit konnte ich mich auch zur Spezialistin für Vergaberecht entwickeln und auch hier einen großen Beitrag im Unternehmen leisten. Bei uns ist überdies lebenslanges Lernen nicht nur im Kollektivvertrag verankert, sondern auch gelebte Praxis mit einem hohen Stellenwert. So hatte ich die Möglichkeit, zwei universitäre Abschlüsse neben meinem Job zu machen. Die ständige Weiterbildung zu fachspezifischen Themen und auch auf dem Gebiet Management und Leadership hat mir bei der Erfüllung meiner Aufgaben in weiterer Folge auch immer wieder sehr geholfen.
Wie sehen Sie die Zukunft des Einkaufs?
Ich finde, dass der Einkauf in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat. Und ich sehe hier auch eine steigende Tendenz. Aufgrund der permanenten Veränderung der Märkte und der damit verbundenen Möglichkeiten der Preisgestaltung ist ein frühzeitiges Einbinden des Einkaufs der Weg zum gemeinsamen Erfolg. Wenn es gelingt, dieses Verständnis von der Entstehung des Bedarfs über alle Stationen des Beschaffungsprozesses hinweg, im besten Fall bis zur Prüfung der Projektergebnisse, zu transportieren, dann steht einem gemeinsamen Erfolg mit den operativen Einheiten und den Supportabteilungen nichts im Wege. Klare Prozesse, funktionierende, userfreundliche Tools, leistungsstarke Teams, Servicequalität und Termintreue sind neben einer Kommunikation auf Augenhöhe der Schlüssel dazu.
Ein großes Plus der Digitalisierung ist neben den systemunterstützten Workflows der elektronische Beschaffungsakt, auf den leicht und von beiden Seiten, sprich seitens der Bedarfsträger und seitens der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Einkaufs, aber auch von sämtlichen Prüforganen zugegriffen werden kann.
Hier wird sich auch der Anspruch an den Einkauf und an den Ausbildungsgrad künftiger Einkäufer und Einkäuferinnen stark verändern: Der rein operative Einkauf wird stark zurückgehen, Rahmenkontrakte und E-Procurement werden mehr und mehr Einzug halten und letztendlich wird die Qualifikation des Einkaufs im Support, in der Unterstützung bei schwierigen Verhandlungen, bei schwierigen Vertragsgestaltungen und eben bei der Ausrichtung von leistungsstarken Tools immer mehr in den Vordergrund rücken. Dafür sind qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unerlässlich
Was möchten Sie Einsteigerinnen und Einsteigern in den Einkauf mitgeben?
Der Einkauf bietet eine der abwechslungsreichsten Tätigkeiten in den Supportabteilungen eines Unternehmens. Im Einkauf kann man sich sowohl strategisch, im Hinblick auf die Prozessgestaltung, Standardisierung und die Ausrichtung von leistungsstarken Tools, als auch vertragstechnisch und operativ, Stichwort Supply Chain, entfalten. Ein solides Grundwissen gepaart mit Neugierde und die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen sind einige der Grundessenzen für eine Erfolgsgeschichte.
Lebenslanges Lernen bedeutet für mich, sich innerhalb und außerhalb des Unternehmens ständig weiterzubilden. Es müssen jetzt gar nicht immer die ganz großen Schritte sein, aber man sollte sich für sein Aufgabengebiet immer das nötige Wissen und als weitere Konsequenz die damit verbundene Sicherheit abholen. Ganz nach dem Prinzip: Stärken stärken. Das Schönste ist es, wenn man selbst merkt, in welche Richtung man sich vertiefen möchte. Und auch als Führungskraft sollte man unbedingt darauf achten, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitergebildet werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
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