Mit Non-Linear Performance Pricing zum besten Preis
Im (Groß-)Handelsgeschäft wird dem Einkäufer, der Einkäuferin viel abverlangt: Tagtäglich jonglieren sie mit einer Flut an Artikeln, für die sie optimale Einkaufspreise erzielen sollen. Selbst wer analytisch an die Auswahl der Lieferanten herangeht, stößt aufgrund des großen Sortiments oft an seine Grenzen. Eine neuartige mathematische Methode verspricht nun praktische Hilfe: NLPP, kurz für Non-Linear Performance Pricing, berechnet Preis-Leistungs-basierte Zielpreise und zeigt somit, wie viel ein Artikel im Einkauf de facto kosten darf.
Angebotsvergleich und ABC-Analyse kaum zielführend
Bei der Beschaffung von Katalogware wenden sich mehrere Faktoren ungünstig gegen den Einkauf: Die große Masse an verschiedenartigen Sachnummern, die pro Produktgruppe schnell in die Tausende gehen kann, spielt dem Lieferanten in die Karten. Denn wie soll der Einkäufer, die Einkäuferin für jeden einzelnen Artikel feststellen, ob ein Preis gut oder schlecht ist? Der klassische Angebotsvergleich dreier Lieferanten ist aufgrund des enormen Aufwands wenig alltagstauglich. Daneben ergibt sich bei diesem Ansatz ein methodisches Problem: Jede Sachnummer wird nur für sich isoliert betrachtet. Der Einkäufer kann zwar herausfinden, dass ein Bohrer bei Lieferant B am günstigsten ist – aber nicht, ob dieser konkrete Bohrer im Verhältnis zu einem anderen Bohrer mit anderer Spezifikation zu teuer oder vielleicht doch vergleichsweise günstig ist. Beim Angebotsvergleich fehlt also die Möglichkeit, das Preis-Leistungs-Verhältnis zu bewerten.
Dass der Beschaffungswert der einzelnen Sachnummer meist relativ gering ist, stellt den Einkauf zudem vor eine große Herausforderung. Es gibt keine “Rennertypen”, auf die man sich konzentrieren kann. Das Beschaffungsvolumen zerfällt in viele kleine Positionen. Da das Pareto-Prinzip folglich nicht greift, erweist sich die üblicherweise im Einkauf angewandte ABC-Analyse als wenig sinnvoll.
Kurzum: Die traditionellen Analyse-Ansätze liefern dem Einkauf selten die ersehnten Antworten.
Neue analytische Herangehensweise
Bei der Analyse von Einkaufspreisen sind Procurement-Profis im Handel also auf rechnerische Methoden angewiesen, welche universell für eine große Vielfalt an Artikeln einsetzbar sind, mit riesigen Datenmengen umgehen können und Produkteigenschaften mit deren Wechselwirkungen sowie qualitative Kennzahlen wie Liefertreue und Reklamationsquote berücksichtigen. Im Optimalfall prognostiziert die Analysemethode einen exakten Ziel-Einkaufspreis pro Artikelnummer – und zwar mit höchster Präzision. Grobe Richtwerte sind wenig hilfreich, da die Preisunterschiede bei Handelsware oft gering sind. So würde es bei Preisunterschieden von 1 bis 3 Prozent wenig Sinn machen, wenn die angewandte Methode “auf 10 Prozent genau” arbeitet.
Vom Preis-Leistungs-Verhältnis zum Einsparpotenzial
An dieser Stelle kommt die Methode NLPP (Non-linear Performance Pricing) zum Einsatz, die eine innovative Herangehensweise verfolgt: Sie vergleicht das Preis-Leistungsverhältnis beliebig vieler Produkte miteinander und analysiert, wie viel ein Produkt bei gegebenen Produkteigenschaften im Marktvergleich kosten darf. Auf diese Weise können EinkäuferInnen bislang verborgene Einsparpotenziale in großen Teileportfolios strukturiert aufdecken.
Gebettet in eine Software (z.B. die gleichnamige Lösung NLPP, erhältlich von der Schweizer Saphirion AG) lassen sich so mehr als 5.000 Artikelnummern auf Knopfdruck miteinander vergleichen. Die Software NLPP, die eine Sammlung von statistischen Analyseverfahren bündelt, berechnet pro Teilegruppe eine Zielpreisformel, welche den Einfluss einzelner Produkteigenschaften (z.B. Länge, Oberflächenbeschaffenheit, Durchmesser, Lieferzeit, Reklamationsquote etc.) auf den Preis darstellt. Mit Hilfe dieser Formel ermittelt sie für jede Sachnummer innerhalb weniger Sekunden den produktspezifischen, tatsächlich gerechtfertigten Preis: den Zielpreis.
Darüber hinaus werden für jede Sachnummer Zielpreiskorridore (Benchmarks) berechnet, sodass der Einkäufer in Verhandlungen stets eine klare Vorstellung davon hat, wie sich das Angebot eines Lieferanten in den Gesamtmarkt einordnet.
Praxisbeispiel NLPP-Analyse: Beschaffung von Fräsern
Das Sortiment eines technischen Händlers umfasst 500 Fräser. Der Einkäufer steht vor der Herausforderung, in diesem unübersichtlichen Teileportfolio Einsparpotenziale zu identifizieren. Weiterhin möchte er herausfinden, welche Fräsertypen ein besonders gutes bzw. schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.
Schritt 1: Daten aufbereiten
Um die Fräser nach Preis und Leistung zu bewerten, fertigt der Einkäufer eine Excel-Tabelle an, die folgende technischen Parameter für jeden Typ erfasst:
- Typ: N, NF. NR, NRF
- Schaft: HA, HB, HE
- Durchmesser (d1 in mm)
- Gesamtlänge (l1 in mm)
- Schneidenlänge (l2 in mm)
- Schaftdurchmesser (d2 in mm)
- Zähnezahl (z in Anzahl)
- Material: HSSE-CO5%, HSSE-CO8%, HSSE-PM
- Beschichtung: Keine, TiAlN, TiCN
Pro Parameter wird eine separate Spalte verwendet, pro Sachnummer eine Zeile. Bei Bedarf lässt sich die Liste an Parametern um nicht-technische Zusatzinformationen erweitern, die nicht in die Berechnung einfließen, z.B. Lieferant oder Sourcing-Region. Nach diese Daten kann die Software das Ergebnis bei Bedarf einfärben oder clustern.
Schritt 2: Datenqualität prüfen
Der Einkäufer importiert die Excel-Tabelle in die NLPP-Software. Nach dem Import prüft die Software die Datenqualität und -struktur jedes Parameters. Dies hilft einerseits, Fehler frühzeitig zu erkennen und wenn nötig zu korrigieren. Andererseits zeigt eine grafische Übersicht, wie sich die Werte für jeden Parameter verteilen, ob es Extremwerte gibt, ob der Durchschnitt stark in die Richtung der großen Zahlen “gezogen” wird etc.
Schritt 3: Zielpreisformel berechnen
Der Einkäufer kann entscheiden, welche technischen Parameter die Software bei der Auswertung berücksichtigen soll. Diese Auswahl definiert, dass diese Parameter für das Unternehmen besonders „wichtig” sind und somit für die Preis-Leistungs-Betrachtung der Artikel einbezogen werden sollen. Um Gewichtungen der einzelnen Parameter braucht sich der Einkäufer hingegen keine Gedanken zu machen. Genauso wenig muss er händisch analysieren, ob ein einzelner Parameter tatsächlich zu einem besseren Analyse-Ergebnis beiträgt. Diese und weitere Aufgaben übernimmt die Software vollautomatisch.
Anschließend berechnet NLPP die Zielpreisformel und zeigt die Einflussstärke jedes Parameters auf den Zielpreis. Diese Information ist für den Einkäufer sehr wertvoll, da er vom Lieferanten argumentierte vermeintliche Auswirkung auf den Preis viel besser einschätzen bzw. gegenargumentieren kann.
Schritt 4: Ergebnis auswerten
Nach der Berechnung sortiert NLPP jede Teilenummer grafisch in ein Koordinatensystem ein. Auf der senkrechten Achse ist der aktuelle Preis zu sehen, auf der horizontalen Achse der Zielpreis. Weiterhin werden drei Benchmarklinien angezeigt. Diese ermöglichen eine Einschätzung über das aktuelle Preisniveau und machen Ausreißer nach oben und unten sofort sichtbar.
Da bei der Analyse auch die beschafften Mengen berücksichtigt werden, kann der Einkäufer mit wenigen Mausklicks all jene Teilenummern identifizieren, welche das größte absolute Einsparpotenzial bergen (rein monetär gemessen).
Weiterhin ist ersichtlich, welche Produkt-Typen ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten – oder auch nicht. Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis lässt sich daran erkennen, dass für den gezahlten Preis mehr als 100 Prozent Leistung (definiert durch die ausgewählten technischen Parameter) geliefert wird. Das Produkt ist also vergleichsweise besser als sein Einkaufspreis. Im umgekehrten Fall bedeutet das: Ein Produkt-Typ ist, gemessen an der gelieferten Leistung, viel zu teuer.
Schritt 5: Erkenntnisse nutzen
Mithilfe von NLPP sieht der Einkäufer nun schwarz auf weiß, welchen Anteil die einzelnen Teilenummern an dem gesamten Einsparpotenzial haben – sprich: auf welche Teilenummern er ein besonderes Augenmerk legen sollte. Ziel ist nun, aus dem Analyse-Ergebnis sinnvolle Maßnahmen abzuleiten:
Produkte, deren aktuelle Einkaufspreise weit über dem Zielpreis liegen und deren Beschaffungsvolumen hohe Einsparungen versprechen, sollten dringend nachverhandelt werden. Mit Hilfe der drei verschiedenen Benchmarklinien kann der Einkäufer sofort abschätzen, in welcher Preisbandbreite ein guter Preis liegen sollte.
Darüber hinaus sind komplexere Auswertungen möglich, die ganz neue Möglichkeiten für Verhandlungen liefern. Der Einkäufer kann das Portfolio beispielsweise auf Gleichteile untersuchen, um Teile zu eliminieren oder preislich anzugleichen. Hierbei hilft der in die Software integrierte HotSpot Advisor „Similar Parts”, eine Art Expertensystem zur automatischen Auswertung. Dieser spürt Teile auf, die hinsichtlich ihrer Spezifikation sehr ähnlich oder sogar gleich sind. Da ähnliche Teile auch einen ähnlichen Preis haben sollten, kann der Einkäufer zielgerichtet nachverhandeln.
Somit liefert die Non-linear Performance Pricing Analyse dem Einkäufer belastbare Erkenntnisse, die bis heute oft nicht zu gewinnen waren – gestützt auf eine breite Informationsgrundlage.
(Quelle: Dieser Beitrag wurde unter Verwendung von Material der Saphirion AG erstellt.)