Die Rampensau lässt grüßen
Ein Kommentar von Stefan Häseli,
Experte für Alltagskommunikation
Sie stehen gerne im Rampenlicht. Ihnen wird Leidenschaft nachgesagt. Oft werden sie aber auch als „Selbstdarsteller“ abgestempelt. Ist die sogenannte „Rampensau“ für die einen lustig und unterhaltsam, nervt sie andere mit ihrer Art, sich in den Vordergrund zu drängen. Ist der eine froh darüber, selbst diese Rolle nicht übernehmen zu müssen, wäre eine andere auch gerne so selbstbewusst.
Die Menschheit teilt sich in Extrovertierte und Introvertierte. Mit all ihren Stärken und Schwächen, mit Vorlieben und Eigenschaften, die man an anderen bewundert, ja vielleicht sogar selbst gerne hätte. Ganz unabhängig davon, dass wir meistens beides in uns haben, wenn auch in unterschiedlichen Anteilen, hat beides natürlich mehr als eine Daseinsberechtigung – weil es unser Leben, unsere Kommunikation, unseren Alltag spannender und abwechslungsreicher macht.
Jede/r will Aufmerksamkeit
Letztendlich geht es uns doch allen darum, Aufmerksamkeit zu erhalten – ob in einem Gespräch unter KollegInnen, bei einer Präsentation vor KundInnen, im Meeting mit dem Chef oder auf der Party mit Freunden. Stellt sich die Frage, ob man diese Aufmerksamkeit unbedingt „erregen“ muss, um erfolgreich zu sein. In Aktion treten, mit anderen interagieren, wahrgenommen werden – das alles kann laut und leise erfolgen. Auch ohne zur Rampensau zu mutieren, kann ein introvertierter Mensch in der Kommunikation punkten! Und extrovertierte ZeitgenossInnen dürfen ruhig den Bogen einmal überspannen, wenn sie die Begeisterung packt! Beides nimmt man seinen GesprächspartnerInnen ab und keineswegs übel – wenn es denn authentisch ist.
Extrovertiert ist IN
Die Zeiten stehen auf extrovertiert. SELBSTBEWUSSTSEIN wird großgeschrieben. Selbstsicheres Auftreten überzeugt. Und extrovertierte Kommunikationsfähigkeiten machen erfolgreicher – zumindest vordergründig. Klar, schließlich nimmt man extrovertierte Menschen schneller wahr und in dieser Wahrnehmung kann es geschehen, dass ihre Aussagen – weil „lauter“ dargestellt – als „wahrer“ und daher auch als wichtiger wahrgenommen werden. Aber ist das tatsächlich wahr? Klar, wer eine Rampensau ist, ist schneller in den Medien, überzeugt schneller in einem Gespräch oder bei einem Vortrag und hat schneller das Thema in einer Sitzung gesetzt.
Introvertiert macht SINN
Wo überall immer schneller kommuniziert und das Hohelied auf den Smalltalk gesungen wird, fallen leise Menschen schnell einmal durch das Kommunikationsraster. Gleichwohl gilt festzuhalten: Es sind oft die introvertierten Menschen, die in ausgewogenen Statements brillante Reden halten, die Dinge dank ihrer Reflektionsfähigkeit präzise auf den Punkt bringen. Auf die Frage „Wer ist ein Top-Redner der neueren Weltgeschichte?“ fällt die Wahl meist nicht auf den extrovertierten Donald Trump, sondern auf einen der berühmtesten, introvertierten Menschen – Barack Obama.
Auf Stärken fokussieren
Zugegeben: Neue Medien helfen in vielen Situationen, die Kommunikation zu vereinfachen, weil Spontaneität einer zumindest gewissen Überlegenszeit weichen darf. Das kommt auch Introvertierten entgegen. Allerdings laufen sie auch Gefahr, ihre vermeintliche Stärke, Dinge in der Tiefe zu formulieren, in der allgemein eher oberflächlichen WhatsApp-Welt zu vergeben. Und das wäre schade. Das Beispiel von Barack Obama zeigt: Wenn sich introvertierte Menschen auf ihre Stärke fokussieren, punkten sie auch in der Kommunikation: Inhalte, die packen. Geschichten, die Tiefgang haben. Es stehen vielleicht nicht gerade alle in den ersten fünf Minuten begeisternd klatschend auf, aber die Menschen wissen auch eine Stunde nach den Worten noch, was gesagt worden ist.
Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, zur Gruppe der Introvertierten gehören: Punkten Sie mit Stil und Inhalt, weil Sie überlegen und zuhören können und wollen. Vielleicht nutzen Sie auch die schriftliche Kommunikation etwas intensiver, weil diese Ihnen entgegenkommt. Und für die Extrovertierten unter den LeserInnen: Wenn Sie Menschen im Umfeld haben, die introvertiert sind, achten Sie auf diese feinen und oft äußerst wertvollen Töne. Es würde uns viel entgehen, wenn wir nur lauten Menschen lauschen. Aber keine Angst: Das tun wir natürlich auch und das ist gut so!
Über den Autor
Stefan Häseli regt als internationaler Speaker dazu an, wirkungsvolle Kommunikation im Alltag mit Spaß zu erleben. Dazu ist er Autor von zahlreichen Büchern und bekannt als Ratgeber in Radio- und TV-Sendungen. Er analysiert aktuelle Ereignisse regelmäßig als ‚kommunikativer Beobachter’.
(Quelle: PM MM-PR)