Preisverhandlung: Bluff oder Wahrheit? So finden Sie es heraus!
Urs Altmannsberger hat Ihnen in unserem Magazin in zwei Beiträgen gezeigt, wie Sie Ihre Preisverhandlungen optimieren. Ein Prozent geht immer: Zugeständnisse ohne Gegenleistung und Ein Prozent geht immer: Zugeständnisse mit Gegenleistung. Als Bonus gibt es diesmal das Werkzeug für eine ganz spezielle Situation in der Preisverhandlung.
„Da geht nichts mehr!“ Dieser Satz ist Ihnen als Einkäufer oder Einkäuferin wahrscheinlich wohl bekannt. Sie hören ihn, wenn Sie beim Verkäufer die vermeintliche Preisgrenze erreicht haben. Dann ist es so, als wenn Sie auf eine Mauer stoßen. Doch häufig ist diese Mauer nur eine Gummimauer. Denn viele Verkäufer spielen mit den EinkäuferInnen. So behaupten Verkäufer, dass Sie die Mauer erreicht haben, obwohl Ihnen noch viel Luft bleibt. Das ist keineswegs verwerflich, sondern gehört zur zentralen Aufgabe der Verkäufer: Abschluss mit möglichst hohem Gewinn beziehungsweise mit hoher Marge. Die Frage ist vielmehr: Wie hebeln Sie als EinkäuferIn den Trick der Verkäufer aus?
Coole EinkäuferInnen setzen auf die innere Gewissheit, dass der Verkäufer eh nur blufft. Sie reagieren in der Art „Dann tut es uns leid, mit dem jetzigen Preis werden wir den Wettbewerb beauftragen!“ und hoffen darauf, dass dann der Verkäufer einbricht und weitere Rabatte gewährt. Tut der das jedoch nicht, weil seine Preisuntergrenze tatsächlich erreicht ist, ist nur unter Gesichtsverlust des Einkäufers eine Einigung möglich – und das ist peinlich für den Einkäufer. Wenn etwa der Verkäufer aufsteht und in Richtung Türe geht, muss ihn der Einkäufer zurückpfeifen: „Halt stopp, setzen Sie sich nochmal!“
Finden Sie besser heraus, ob die Gegenseite tatsächlich den optimalen Preis abgegeben hat oder nicht. Genau dazu dient die von mir entwickelte MMT-Technik für Einkäufer. Dahinter verbirgt sich der Multi-Mauer-Test, der ein Indikator dafür ist – und ich behaupte, es ist der aktuell einzige sichere Indikator –, um Verkäufer-Bluffs von der Wahrheit zu unterscheiden.
So nutzen Sie den Multi-Mauer-Test von Urs Altmannsberger
Mit dem Multi-Mauer-Test konfrontieren Sie den Verkäufer mit einem vermeintlichen Verhandlungsabbruch. Damit halten Sie die Fäden in der Hand und können je nach Reaktion des Verkäufers proaktiv weiter in die von Ihnen gewünschte Richtung lenken. Sehen wir uns ein Beispiel an, in dem der Einkäufer zwei Stufen des Multi-Mauer-Tests einsetzt (mehr Stufen sowie Variationen sind möglich):
Verkäufer blufft: „1.000 Euro ist mein letzter Preis, weiter runter ist nicht möglich!“
Einkäufer (mit MMT Stufe 1): „1.000 Euro?? Nein, das ist nicht akzeptabel! Wollen SIE es jetzt daran scheitern lassen?“
Verkäufer zögert kurz, blufft dann aber weiter: „Ähhh … ja, 1.000 ist wirklich das Bestmögliche!“
Einkäufer mit ungläubigem Gesicht und dazu passend hoher Stimmlage (nutzt MMT Stufe 2): „Das heißt, selbst wenn es nur um einen Euro ginge, selbst dann würden Sie auf den Auftrag verzichten wollen?“
Verkäufer bricht ein: „Na ja, wegen eines Euros natürlich nicht!“
Und so überwindet der Einkäufer die jetzt erkannte Gummimauer – und findet zurück in die Verhandlung: „Wie viele Euros gehen denn dann noch?“
Verkäufer: „Also maximal 23 Euro kann ich Ihnen noch nachlassen …“
Das Beispiel macht deutlich: Während der Verkäufer in der ersten Stufe des Multi-Mauer-Tests noch in der Lage ist, den Bluff halbwegs aufrechtzuerhalten, bricht er bei Anwendung von Stufe zwei mit seiner Taktik und eröffnet dem Einkäufer weitere Savings.
Den perfekten Bluff gibt es nur ganz selten
In meinen Verhandlungstrainings werde ich von TeilnehmerInnen häufig gefragt, ob VerkäuferInnen nicht auch perfekt bluffen können, also in der Lage sind, über mehrere Stufen des MMT den Bluff aufrechtzuerhalten. Ich habe das untersucht – mit dem Ergebnis: Den perfekten Bluff wird es nur in seltenen Ausnahmefällen geben. Eben nur dann, wenn der Verkäufer auch innerlich bereit ist, den Auftrag zu verlieren. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn der Verkäufer eine bessere Alternative (vergleiche BATNA – Best Alternative To a Negiotated Agreement – im Harvard-Verhandlungskonzept) zum jetzigen Kunden hat. Beispielsweise wenn er ein gebrauchtes Fahrzeug verkaufen möchte und mehrere kaufwillige Nachfrager dafür hat.
Im anderen Fall, wenn der Verkäufer den Abschluss wirklich als Ziel hat, sendet er unzählige Signale. Und diese Signale zu erkennen, ist gar nicht so schwer. Sie müssen nur Ihre Sinne darauf schärfen.
Und wenn der Lieferant nicht blufft …
In dem Beispiel hat der Verkäufer geblufft. Was aber wäre gewesen, wenn der Verkäufer die Wahrheit gesagt hat? Dann haben Sie mit der MMT-Technik einen Riesenvorteil: Sie haben den Verkäufer nicht vor vollendete Tatsachen gestellt („Wir vergeben an den Wettbewerb!“), sondern nur gefragt – und geschaut, wie der Verkäufer reagieren wird. Fragen ist jederzeit erlaubt. In der Art: Man wollte ja nur mal wissen …
Gehen wir jetzt davon aus, der Verkäufer blufft nicht. Dann reagieren Sie innerhalb des Multi-Mauer-Tests folgendermaßen:
Verkäufer: „1.000 Euro ist mein letzter Preis, weiter runter ist nicht möglich!“
Einkäufer mit Stufe 1: „1.000 Euro?? Nein, das ist nicht akzeptabel! Wollen SIE es jetzt daran scheitern lassen?“
Verkäufer zögert nicht, sondern bestärkt: „Ja, 1.000 ist wirklich das Bestmögliche!“
Einkäufer mit ungläubigem Gesicht und dazu passend hoher Stimmlage (nutzt MMT Stufe 2): „Das heißt, selbst wenn es nur um einen Euro ginge, selbst dann würden Sie auf den Auftrag verzichten wollen?“
Verkäufer bleibt dabei: „Ja, selbst ein Cent weniger ist nicht mehr möglich!“
Und so finalisiert der Einkäufer die Verhandlung positiv: „Gut, dann schreibe ich mir 1.000 Euro als Ihr letztes Angebot auf und werde das so in die Entscheidungsfindung einloggen. Bis nächste Woche Dienstag werden wir alle ausstehenden Gespräche mit Ihren Wettbewerbern geführt haben und die letzten Ergebnisse finalisieren. Die endgültige Entscheidung fällen wir dann am Mittwoch. Dann kann ich Ihnen sagen, ob es gereicht hat. Ich drücke Ihnen die Daumen, Sie sind mir sympathisch… vielleicht klappt es ja.“
Fazit
Sie haben mit dem Multi-Mauer-Test jederzeit das Zepter in Ihrer Hand. Sie steuern den Prozess. Je nach Reaktion des Verkäufers haben Sie Ihre – auswendig gelernte – Formulierung parat. Und das ist wichtig. Denn nur wenn Sie in dieser heißen Phase einen kühlen Kopf bewahren, sind Sie in der Lage, die Signale des Verkäufers umfänglich wahrzunehmen.
Zusätzliches Üben der Formulierungen der MMT-Technik lege ich Ihnen wärmstens ans Herz. Und auch eine Analyse der möglichen Reaktionen und das Durchspielen der Szenarien lässt Sie Sicherheit für die Anwendung in der Praxis gewinnen.
Wie der Multi-Mauer-Test in der Praxis funktioniert, können Sie auch hier als Video betrachten.
Der Autor
Urs Altmannsberger ist Trainer, Coach und Verhandlungsberater für EinkäuferInnen. Mit seiner Expertise für professionelles Verhandeln bringt er den Einkauf in Unternehmen strategisch voran und begleitet die Firmen dabei, anstehende Verhandlungen ergebnisorientiert zu verbessern, Konditionstitel zu entwickeln und die Beteiligten dafür fit zu machen. Zuvor war Urs Altmannsberger über viele Jahre selbst als Einkaufsleiter in mittelständischen und großen Unternehmen tätig. In den Verhandlungstrainings für Einkäufer von Urs Altmannsberger können Sie die Anwendung der MMT-Technik lernen. Ausführliche Informationen zum Thema finden Sie außerdem im Buch Profitabler Einkauf. Wie Sie als Einkäufer garantiert das beste Angebot verhandeln.