Atradius: Jedes vierte deutsche Unternehmen erwartet schlechtere Zahlungsmoral
Unsicherheitsfaktoren wie der Brexit, ein möglicher US-Protektionismus sowie die Abkühlung der chinesischen Konjunktur veranlassen besonders deutsche Unternehmen dazu, die Vorkehrungen zum Schutz ihrer Liquidität zu erhöhen. Das geht aus dem aktuellen Zahlungsmoralbarometer Westeuropa des Kreditversicherers Atradius hervor. Angesichts der Unwägbarkeiten intensivieren 23 % der befragten Firmen schon heute ihr Kreditmanagement, um ihre Forderungen besser zu schützen (Durchschnitt Westeuropa: 18 %). 27 % der deutschen Studienteilnehmer erwarten in den kommenden zwölf Monaten eine Verschlechterung des Zahlungsverhaltens ihrer Firmenkunden im In- und Ausland; nur 9 % hingegen rechnen mit einer Verbesserung.
Im Zusammenhang mit dem Brexit gaben 22 % der befragten deutschen Unternehmen an, Forderungen verstärkt durch Kreditversicherungen decken zu wollen; 30 % beabsichtigen, die Bonität ihrer Kunden intensiver zu prüfen. Zum Schutz vor den Folgen eines möglichen US-Protektionismus ziehen 31 % in Betracht, die Bonität ihrer Kunden vermehrt zu kontrollieren, 28 % wollen auch andere Risikofaktoren im weiteren Umfeld der Abnehmer intensiver beobachten. Wegen der Konjunkturabkühlung Chinas gaben 27 % der deutschen Befragten an, die Bonität der Abnehmer intensiver in den Blick zu nehmen, 23 % beabsichtigen, andere Risikofaktoren im weiteren Umfeld genauer zu beobachten.
Ergebnisse Westeuropa: Zahlungsverzögerungen nehmen zu
Neun von zehn der für das Atradius Zahlungsmoralbarometer Westeuropa befragten Unternehmen berichteten, dass sie im vergangenen Jahr von einem oder mehreren in- oder ausländischen Kunden zu spät bezahlt worden sind (deutsche Studienteilnehmer: 92 %). Umgerechnet 41 % des Gesamtwerts der Außenstände wurden bei den Studienteilnehmern erst nach Ablauf der Zahlungsfrist beglichen (Deutschland: 41 %), in der vergangenen Ausgabe der Publikation lag dieser Wert noch bei 39 % (Deutschland: 40 %). Der Anstieg erklärt sich unter anderem damit, dass Abnehmer derzeit dazu tendieren, sich mehr Zeit zu lassen, um ihre Rechnungen zu bezahlen. In der Folge reduzierten sich die Geschäfte, bei denen ein Lieferantenkredit gewährt wurde, um 2 % in Europa.
Laut Befragung stieg die durchschnittliche Forderungslaufzeit (Zeitraum zwischen Rechnungsstellung und Forderungseingang) in Westeuropa bei inländischen Firmenkunden von 54 Tagen im Jahr 2014 auf 59 Tage im Jahr 2016. Bei ausländischen Abnehmern erhöhte sich die durchschnittliche Forderungslaufzeit im selben Zeitraum von 52 auf 53 Tage. Dass insgesamt 43 % der Studienteilnehmer inländischen Kunden Zahlungsziele gewährten – gegenüber 35 % ausländischen – zeigt, dass das Vertrauen in inländische Abnehmer insgesamt höher ist – trotz der zunehmenden Forderungslaufzeit. Als Gründe für Zahlungsverzögerungen nannten 44 % der Studienteilnehmer Liquiditätsengpässe seitens der Kunden, 26 % gaben an, dass ihre Abnehmer offene Rechnungen als Finanzierungsmittel nutzen. 24 % der Befragten teilten zudem mit, dass zu komplizierte Überweisungsverfahren einer zeitigen Rechnungsbezahlung im Wege stünden, was insbesondere im Auslandsgeschäft zutraf.
Offene Rechnungen immer häufiger als Finanzierungsinstrument genutzt
Andreas Tesch, Chief Market Officer von Atradius, kommentiert: „Da der Zugang zu traditionellen Finanzierungen insgesamt schwieriger geworden ist, nutzen Abnehmer häufiger offene Rechnungen bei ihren Lieferanten und Dienstleistern als alternatives Finanzierungsmittel. Mit steigendem Margen- und Liquiditätsdruck ist ein restriktiveres Gewähren von Zahlungszielen oft die einzige Möglichkeit für Lieferanten und Dienstleister, um ihre eigene Finanzlage stabil zu halten.“
Ohne eine signifikante Verbesserung des Insolvenzklimas insgesamt ist auch der Gesamtwert der uneinbringlichen Forderungen in Westeuropa mit 1,3 % nahezu stabil geblieben. Im vorherigen Atradius Zahlungsmoralbarometer lag dieser Wert bei 1,4 %.
„Eines der auffälligsten Ergebnisse der Studie für Westeuropa ist, dass bei vielen Unternehmen insbesondere Inlandsgeschäfte für einen großen Teil der Forderungsausfälle sorgen. Es ist genauso wichtig, sich gegen Forderungsausfälle durch heimische Abnehmer abzusichern wie durch ausländische“, so Andreas Tesch.
Das Zahlungsmoralbarometer von Atradius
Atradius erhebt mit seinem Zahlungsmoralbarometer für Westeuropa jedes Jahr Informationen über das Zahlungsverhalten im Firmengeschäft. Für die aktuelle Ausgabe wurden rund 2.800 Unternehmen in 13 Ländern zu den Zahlungserfahrungen mit ihren Kunden befragt. Genauer betrachtet wurden dabei Trends bei der Durchführung des Forderungsmanagements, wahrgenommene Schwierigkeiten in puncto Rentabilität, die Forderungslaufzeit und nicht zuletzt die Zahlungsmoral, unterteilt nach Branchen und Unternehmensgrößen.
Die gesamten Ergebnisse des Atradius Zahlungsmoralbarometers für Deutschland und Österreich finden Sie auf http://www.atradius.de im Menüpunkt Publikationen. Die Gesamtergebnisse für Westeuropa stehen auf http://www.atradius.com online.
(Quelle: ots / Atradius)