Innovative Preisanalyse-Software bei Robert Bosch: Eine Fallstudie
Um Einsparpotenziale aufzudecken, greift man im Einkauf auf unterschiedlichste Methoden zurück. Auf der Suche nach innovativen Ansätzen testete die Robert Bosch GmbH eine merkmalsbasierte Preisanalyse-Software, die eine valide Zielpreisermittlung für große Teilefamilien versprach: NLPP, kurz für Non Linear Performance Pricing. Vom Potenzial der Software war man sofort begeistert. Im Bosch-Zentraleinkauf, der für die Business Unit Gasoline Systems Direkteinspritzung arbeitet, ist NLPP inzwischen seit mehreren Monaten im Einsatz – mit beeindruckendem Ergebnis: Auf Basis der NLPP-Analyse konnten im untersuchten Materialfeld bereits Savings in signifikanter Höhe gehoben werden.
Konstantinos Alefasidis, heute Abteilungsleiter im Facheinkauf bei der Robert Bosch GmbH am Standort Zuffenhausen, hat in seiner früheren Position als Referent für Verhandlungsberatung und -vorbereitung viele Methoden und Softwarelösungen zu Gesicht bekommen. „Ich war für die Methodik in der Beschaffung verantwortlich“, so Konstantinos Alefasidis. „In dem Zusammenhang spielt die Lieferanten- und Beschaffungspreisanalyse selbstverständlich eine große Rolle: Jeder Einkäufer träumt davon, genau zu wissen, was ein bestimmtes Teil kosten darf. Klassische Kostenanalyse-Methoden wie Schattenkalkulation oder Cost-Break-Down setzen eine hohe Datentransparenz und -verfügbarkeit voraus, die jedoch in den seltensten Fällen gegeben ist. Darüber hinaus lassen sich mit den üblichen Methoden nur technisch identische Produkte preislich vergleichen, was den Handlungsspielraum extrem einschränkt. Es musste also eine Methodik her, die ungleiche Teile vergleichbar macht und das Einsparpotenzial pro Teil aufzeigt.“
Neuer Ansatz: Wie beeinflussen Merkmalsausprägungen den Preis?
Vor rund fünf Jahren kam Konstantinos Alefasidis dann erstmalig mit der Preisanalyse-Software NLPP in Kontakt, die neue Wege ging: NLPP überprüft für komplette Warengruppen die Angemessenheit von Preisen mittels mehrdimensionaler, nicht-linearer Regressionsanalyse, die technische Eigenschaften eines Produkts im Verhältnis zum Preis betrachtet. So findet die Software heraus, welche Merkmale den Preis in welchem Ausmaß in die Höhe treiben – inwieweit zum Beispiel das Gewicht des Teils den Einkaufspreis stärker beeinflusst als eine spezielle Bohrung oder die beauftragte Oberflächenbehandlung.
Die Software macht nicht-identische Produkte mit Hilfe von Benchmarks vergleichbar, zeigt komplexe Wirkzusammenhänge auf, ermittelt das Kostensenkungspotenzial für einzelne Produkte und erlaubt Preisprognosen für neu zu beschaffende Teile. Und da NLPP die Analysen sehr schnell berechnen kann, eignet sich die Methode für kleine als auch für sehr große Teilefamilien.
Der innovative Ansatz von NLPP gefiel Konstantinos Alefasidis sofort. „Ich war von Anfang an von dieser Methodik überzeugt“, erklärt der Wirtschaftsingenieur. „Doch selbstverständlich haben wir uns nicht auf ein Bauchgefühl verlassen, sondern die Software gründlich durchleuchtet – auch im Vergleich zu Konkurrenzprodukten, die Ähnliches versprachen. NLPP erwies sich jedoch als die ausgereifteste Lösung.“
Zerspante Teile auf dem Prüfstand
2014 wechselte Konstantinos Alefasidis als Gruppenleiter in den Projekteinkauf mit Zuständigkeit für die Business Unit Direkteinspritzung, die zum Geschäftsbereich Gasoline Systems gehört. Im Gegensatz zum kommerziellen Einkauf, der – gegliedert nach Materialgruppen – den operativen Einkaufspart mit Vertragsgestaltung, Preisverhandlung und Bestellung abwickelt, kümmert sich der Projekteinkauf um die technischen und Projektmanagement-orientierten Belange aller zugekauften Erzeugnisse einer kompletten Business Unit. Damit übernimmt der Projekteinkauf eine Schnittstellenfunktion zwischen dem kommerziellen Einkauf, den technischen Fachabteilungen sowie der Qualitätssicherung.
Den Löwenanteil der zugekauften Produkte machen hier die zerspanten Teile aus: Sie decken rund 60 Prozent des Einkaufsvolumens der Business Unit ab. „Nachdem ich mich wochenlang ausführlich mit NLPP auseinandergesetzt hatte, war mir klar, dass diese Teilefamilie sich ideal für eine NLPP-Analyse eignet: Zum einen ist sie mit ihren 180 Teilen sehr umfangreich, was manuelle Analysen quasi unmöglich macht. Zum anderen beinhaltet jede Warengruppen bereits “per Definition” Teile, die sich durch einheitliche Merkmale beschreiben lassen – und genau diese Teilemerkmale benötigt man für die Auswertung mit NLPP, denn man möchte die Teile ja anhand ihrer Merkmale vergleichen und daraus Schlüsse über den Zielpreis ziehen.“
Zielstellung: Ermittlung von Sollpreisen für 180 Teile
Konstantinos Alefasidis initiierte ein bedeutendes NLPP-Projekt: NLPP sollte alle zerspanten Teile analysieren und für jedes einzelne Teil einen validen Zielpreis ermitteln. Darauf basierend würde der Facheinkauf die Zielpreise überprüfen und, darauf abgestimmt, im Schulterschluss mit dem Projekteinkauf eine individuelle Verhandlungstaktik entwickeln und schlussendlich die aufgedeckten Einsparpotenziale heben.
Kick-off: Merkmale im Fokus
Im ersten Schritt wurde in Workshops definiert, welche Merkmale im Bereich der zerspanten Teile potenziell relevant sein könnten. „Die Frage ‚Welche Merkmale sind eigentlich wichtig?‘ hat uns einiges an Hirnschmalz gekostet. Größtenteils hatten wir ein gutes Feeling dafür, welche Parameter sich auf den Preis auswirken können. Aber wir haben absichtlich auch links und rechts über den Tellerrand geschaut, damit auch die auf den ersten Blick irrelevanten Merkmale in der Auswertung Berücksichtigung finden. Rückblickend war das eine gute Entscheidung: Nach der NLPP-Analyse waren wir doch teilweise überrascht, wie stark sich einige Merkmale auf den Preis auswirken. Im Gegenzug erwiesen sich andere Merkmale, die wir als extreme Preistreiber ansahen, als preislich unbedeutend.“
NLPP im Vergleich zum Nachkalkulieren ein Spaziergang
Als die Merkmale feststanden, stellte Konstantinos Alefasidis einen Master-Studenten ab, um die Merkmalsausprägungen der 180 Teile händisch zusammenzutragen. In einzelnen Phasen erhielt der Student Unterstützung durch ein reguläres Team-Mitglied. „Diese Fleißarbeit bindet natürlich zunächst Ressourcen – wird aber nur einmal zu Beginn fällig. Sind erstmal alle Daten in der NLPP-Datenbank versammelt, geschieht die Analyse auf Knopfdruck“, so Alefasidis. Und ergänzt: „Im Vergleich zum Nachkalkulieren ist das ein Spaziergang. Wenn man ein Teil selbst nachkalkuliert und noch keine Daten vorhanden sind, kann eine Kalkulation bis zu zwei Wochen dauern – pro Teil, wohlgemerkt. Dagegen haben die beiden Mitarbeiter für die 180 Teile nur rund drei Monate gebraucht. An einer Nachkalkulation von 180 Teilen hätten wir also weitaus länger gearbeitet. Da relativiert sich der Aufwand.“
Darüber hinaus habe man nun zum ersten Mal überhaupt alle Teile der Teilefamilie in einer Datenbank, inklusive aller Merkmalsausprägungen. Dies sei, so Alefasidis, ein großer Schritt.
Die Analyse
Die vollständigen Daten wurden nun in NLPP importiert. Per Klick berechnet die Software innerhalb weniger Sekunden aus Preistreibern, Menge und Preis eine passgenaue Zielpreisformel. Dabei ermittelt sie für jedes Merkmal zusätzlich dessen Einflussstärke auf den Preis. Merkmale, für die sich kein preistreibender Effekt finden lässt, sortiert die Software automatisch aus. Basierend auf dieser Zielpreisformel ermittelt NLPP durch Einsetzen der Merkmale in die Formel anschließend den Sollpreis (Zielpreis) jedes Teils.
PraxisbeispielFür 40 Teilenummern aus der Warengruppe “zerspante Teile” soll der Ist-Preis mit Hilfe der Software NLPP analysiert werden. Hierfür definiert der Einkauf die für die Teile relevanten Leistungs- und Preistreiber, die anschließend im Verhältnis zum Preis ausgewertet werden. Eine gute Quelle für “richtige” Leistungs- und Kostentreiber ist die Spezifikation, die der Lieferant erhält, z.B.:
Mit Hilfe dieser Angaben berechnet die Software eine Zielpreisformel*. Im vorliegenden Beispiel sieht die durch die Software berechnete Zielpreisformel wie folgt aus:
Der Zielpreis wird dann ebenfalls automatisch durch die Software berechnet, indem die Werte für die Leistungs- und Preistreiber jeder Sachnummer in die Formel eingesetzt werden. Nach wenigen Sekunden stehen dem Einkäufer die Zielpreise für jedes Teil zur Verfügung. NLPP berechnet zusätzlich die Stärke des Einflusses jedes Leistungstreibers auf den Preis und erkennt Leistungstreiber, die keinen Einfluss auf den Preis haben. In diesem Beispiel ergab sich folgendes Bild für die Stärke des Einflusses:
Die Interpretation der Zahlen ist einfach: Beispielsweise hat der Durchmesser (1,331) einen etwas mehr als doppelt so großen Einfluss auf den Preis wie die Losgröße (2 * 0,554 = 1,108 < 1,331). * Die Zielpreisformel im Praxisbeispiel basiert aus Diskretionsgründen auf fiktiven Werten und dient lediglich der Anschauung. |
NLPP illustriert die Teile in einem Koordinatensystem, eingeordnet nach aktuellem Preis (Y-Achse) und Zielpreis (X-Achse). Im Koordinatensystem werden außerdem drei Benchmarklinien abgetragen: Die mittlere Benchmarklinie ist die „Shouldcost / Zielpreis“-Linie. Alle Punkte oberhalb dieser Linie bieten Einsparpotenziale. Zudem sieht der Anwender in einer tabellarischen Darstellung sofort die Einsparpotenziale in Prozent und z.B. Euro.
Erstaunliche Gewichtung der kostentreibenden Parameter
Die NLPP-Analyse förderte Erstaunliches zu Tage. Es ergab sich nicht nur eine unerwartete Gewichtung der kostentreibenden Merkmale. Das Team rund um Konstantinos Alefasidis sah auch schwarz auf weiß, dass die Sollpreise einiger Teile sehr stark vom Ist-Preis abwichen.
Der Projekteinkauf nahm daraufhin Kontakt mit dem Facheinkauf auf und schilderte die Ergebnisse. „Dank NLPP wussten wir genau, an welchen Stellen wir ansetzen mussten. Anstatt die Nadel im Heuhaufen zu suchen, konnten wir plötzlich präzise pro Teil argumentieren und die Preisverhandlungen mit jedem Lieferanten zielgerichtet vorbereiten. Beispielsweise konnten wir hochgradig ähnliche Teile aufspüren, die uns zu unterschiedlichen Preisen verkauft wurden. In der Fülle an Teilen war das früher nie aufgefallen. NLPP hatte jedoch gleiche Zielpreise für die beiden Teile ermittelt. Und da NLPP die Teile anhand ihrer Merkmalsausprägungen analysiert, konnte man von Gleichteilen ausgehen“, berichtet Alefasidis.
Kostenverständnis neu definiert
Man habe inzwischen ein viel besseres Kostenverständnis erlangt, meint Konstantinos Alefasidis. Und dieses werde die Leistungsstärke des Einkaufs auch in Zukunft positiv beeinflussen. „Es ist aus meiner Sicht ganz einfach: Je besser mein Kostenverständnis, desto besser bin ich als Einkäufer.“ Durch die Zielpreisermittlung mit Benchmarking sei eine einzigartige Kostentransparenz entstanden, die dem Einkäufer eine selbstbewusstere Verhandlungsposition verleiht. „Bis jetzt haben wir, innerhalb von vier Monaten, schon drei Prozent des mit NLPP untersuchten Volumens als Savings identifiziert, und davon Standpunkt heute zwei Drittel umgesetzt.“
Einsparungen in zweistelliger Höhe? Unseriös!
Bei der Frage, warum die Einsparungen „nur“ drei Prozent betragen – andere Anbieter von Einkaufssoftware werben schließlich mit Einsparungspotenzial in zweistelliger Höhe –, lacht Konstantinos Alefasidis. „Das ist völlig unseriös“, so der Einkaufsspezialist. „Wenn ich aus dem Stand Savings von, sagen wir mal, 12 Prozent realisiere, dann müsste das heißen, dass der komplette Facheinkauf vorher jahrelang geschlafen hat. Bei uns verstehen die Facheinkäufer ihren Job und haben schon immer die richtigen Hebel bedient. Doch NLPP liefert uns nun zusätzliche Informationen, die wir in dieser Form teileübergreifend noch nie vorliegen hatten. Diese Daten nutzen wir nun ganz konsequent, um Einsparungen zu realisieren.“
Fazit
„Mit NLPP kann der Einkauf eine große Anzahl von Teilen mit überschaubarem Aufwand sehr gut durchanalysieren und valide Zielpreise ermitteln“, fasst Alefasidis zusammen. „Damit eröffnet die Software ganz neue Möglichkeiten, Einsparpotenziale im großen Stil zu ermitteln und zu heben. Ich bin mit dieser Software überaus zufrieden.“
(Quelle: Die Case Study wurde uns von der Saphirion AG zur Verfügung gestellt. Abbildungen: Robert Bosch GmbH, Saphirion AG)