Befehlen Sie noch oder fragen Sie schon?
Untersuchungen zeigen immer wieder, dass Unzufriedenheit am Arbeitsplatz darin begründet liegt, dass MitarbeiterInnen sich nur als austauschbare Arbeitskraft fühlen, ihnen das Verständnis für die Hintergründe der übertragenen Aufgaben fehlt oder sie sich unterfordert fühlen. Allen diesen Aspekten lässt sich durch einen eher kooperativen denn befehlenden Führungsstil begegnen.
Die Zauberformel lautet: „Führen durch Fragen“. Und es macht die Führungskraft ein wenig zum Coach des Mitarbeiters, der Mitarbeiterin. Aber kann das im Unternehmensalltag wirklich gelingen? Was ist die Idee dahinter? Und was sind die richtigen Fragen?
Von vorne: Natürlich bedeutet „Führen durch Fragen“ nicht, dass Sie jetzt jede Aufgabe delegieren mit: „Wäre es Ihnen möglich, sich in der nächsten Zeit XYZ zu widmen?“ Auch besteht das Ziel nicht darin, dass MitarbeiterInnen das letzte Wort haben. Stattdessen geht es darum, das Problem- und Lösungsbewusstsein der MitarbeiterInnen zu stärken und zugleich wertvollen Input zu aufgetretenen Problemen zu erhalten.
Es geht also darum, die richtigen Fragen zu stellen und so die MitarbeiterInnen darin zu coachen, selbstständig ein tiefergehendes Problemverständnis zu entwickeln. Diese fühlen sich so besser eingebunden und sind stärker motiviert, zugleich spüren sie, dass ihre Meinung und ihre Erfahrung wertgeschätzt wird.
Als Führungskraft sollten Sie verschiedene Fragenkategorien nutzen:
- Problemorientierte Fragen sind geeignet, Ist-Zustände zu analysieren und Probleme und mögliche Lösungen zu identifizieren: „Mit welchen Problemen kämpfen Sie zur Zeit?“, „Was sind die Ursachen aus Ihrer Sicht?“, „Was würden Sie zur Lösung vorschlagen?“, aber auch: „Wie geht es Ihnen in dieser Situation?“
- Zielorientierte Fragen richten den Fokus auf die Soll-Zustände und damit die Zukunft. Hier geht es darum, Lösungswege zu entwickeln und die Lösungskompetenz der MitarbeiterInnen zu stärken: „Welche Lösung/Welches Vorgehen würden Sie wählen?“, „Was genau müssen wir erreichen?“, „Bis wann kann die Lösung umgesetzt werden?“, aber auch Fragen zur Metaebene wie: „Woran erkennen Sie, dass Sie das Ziel erreicht haben?“, „Was können wir aus dem Vorgehen lernen?“, „Was ändert sich durch das Erreichen des Ziels?“
- Ressourcenorientierte Fragen lenken den Blick auf die benötigten Hilfsmittel und Lösungswege: „Was benötigen Sie für die Umsetzung?“, „Wer könnte Sie dabei zusätzlich unterstützen?“ Hierunter fallen auch Fragen nach Hindernissen und möglichen Grenzen des Lösungswegs.
- Analytisch-wertende Fragen zielen darauf ab, einen Prozess oder Vorgang in der Rückschau zu hinterfragen: „Was haben wir dabei gelernt, das für weitere Projekte hilfreich sein könnte?“, „Wie würden Sie den Ablauf/das Ergebnis/… auf einer Skala von 0 bis 10 bewerten?“, „Was könnte aus Ihrer Sicht helfen, um beim nächsten Mal von 6 auf 8 zu kommen?“
- Hypothetische Fragen sind geeignet, momentane Denkblockaden und limitierende Annahmen auszuhebeln und so neue Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln: „In der Rückschau: Was hätten wir anders/besser machen können?“, „Was wäre anders, wenn wir diese oder jene Rahmenbedingung nicht hätten?“, „Was hätte komplett schief gehen können? Warum?“
- De-eskalierende und generalisierende Fragen dienen dazu, den Blick zu weiten und persönliche Ressentiments aufzubrechen: „Wie geht der Wettbewerber/die Abteilung XYZ/… mit solchen Fragestellungen um?“, „Was würde sich Ihr Kunde an dieser Stelle wünschen?“, „Wie können wir diese Erkenntnisse auch in anderen Projekten/Prozessen anwenden?“
Führen durch Fragen wird so mehr zu einem Führen durch einen gesteuerten Dialog. Die MitarbeiterInnen haben weniger das Gefühl, Aufgaben einfach vor die Nase gesetzt zu bekommen, und spüren zugleich, dass ihre Erfahrung und Problemlösekompetenz anerkannt wird. Das kann die Mitarbeiterzufriedenheit deutlich steigern.
Trotzdem ist dieses Führungsinstrument nicht in allen Situationen gleichermaßen geeignet. Letztlich ist es wichtig, Ergebnisse zu erzielen, nicht mögliche alternative Lösungswege bis zum Exzess zu diskutieren. Es ist daher wichtig, dieses Coaching der MitarbeiterInnen gezielt und fokussiert einzusetzen.