Zielstrebigkeit – zwei Seiten einer Medaille
Eine beliebte Frage im Bewerbungsgespräch lautet: „Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?“ Zielstrebig an der eigenen Karriere zu arbeiten gilt als wichtige Charaktereigenschaft. Was bedeutet das aber im Unternehmensalltag?
Im Bewerbungsprozess wird viel Wert darauf gelegt, zielstrebige KandidatInnen zu identifizieren, die zum Unternehmen passen. Schaut man sich aber in den Abteilungen um, scheint dieser Zielstrebigkeit manchmal rasch der Garaus zu drohen.
Im Laufe der Zeit wandelt sich nämlich die Form der erwarteten Zielstrebigkeit: Die meisten Vorgesetzten wünschen sich zielstrebige Angestellte. Doch zielstrebig bedeutet in dem Fall nicht, vor allem auf die eigene Karriere und das eigene Wohl konzentriert zu sein, sondern auf die jeweiligen Firmeninteressen. Die eigenen Interessen sollen denen des Unternehmens (und natürlich auch denen der Führungskraft) tunlichst untergeordnet werden.
Abteilungsinternes Konfliktpotenzial
Daraus entwickelt sich unterschwelliges Konfliktpotenzial – vor allem dann, wenn Führungskräfte die Eigeninteressen der MitarbeiterInnen nicht berücksichtigen und die erwartete Form der „Zielstrebigkeit“ nicht klar kommunizieren. Hier gilt es, einen Interessensausgleich zu schaffen.
Denn die Zielstrebigkeit der MitarbeiterInnen tendiert rasch gegen Null, wenn sie das Gefühl haben, nicht voranzukommen oder gar mit ihren Zielen auf Widerstand zu stoßen. Und dies hat natürlich Auswirkungen auf die Gesamtproduktivität und das Arbeitsklima.
Auf der anderen Seite ist es zumindest verständlich, dass eine Führungskraft um die eigene Position fürchtet, wenn MitarbeiterInnen zu sehr auf ihre Karriere bedacht sind. Auch kann eine Rolle spielen, dass man LeistungsträgerInnen in der eigenen Abteilung halten möchte und ihnen so unbewusst den Aufstieg erschwert. Allerdings führt solch ein Verhalten oft dazu, dass die Betroffenen den Arbeitgeber wechseln – oder irgendwann demotiviert Dienst nach Vorschrift machen.
Echte Zielstrebigkeit ist selten. Und muss gefördert werden.
Stellen Sie sich diese Fragen selbst: Würden Sie sich als zielstrebig bezeichnen? Wenn ja: Was sind diese Ziele? Wenn nein: Warum nicht? Was ist es dann, das Sie antreibt?
Studien zeigen, dass nur 5 Prozent aller Berufstätigen ein klares Karriereziel haben, das sie benennen und visualisieren können. Aber ohne diese Ziele gibt es auch keine erfüllende Zielerreichung – und damit keine Zufriedenheit: Jeder Läufer kann seine Kräfte nur dann sinnvoll einteilen, wenn er weiß, wo das Ziel ist– nicht umsonst spricht man von „zielgerichtet“. Läuft er blind in irgendeine Richtung, dann kann er noch so schnell laufen, aber zählbare Ergebnisse, Rekorde oder gar innere Zufriedenheit wird er so nicht erreichen.
Ziele zu haben – auch langfristig – ist entscheidend für den persönlichen Erfolg und die eigene Zufriedenheit. (Sich) Lediglich zu sagen, man sei zielstrebig, reicht nicht aus.
Führungskräfte müssen daher die persönlichen Ziele der MitarbeiterInnen bei der Führungsarbeit ebenso berücksichtigen wie die Unternehmensziele. Nur so kann eine optimale Produktivität und hohe Mitarbeiterzufriedenheit erreicht werden.