B2B-Plattformen: Versorgungssicherheit für den Einkauf
War die Plattform-Ökonomie einst vor allem im B2C-Bereich von Bedeutung, so hat der B2B-Bereich jüngst deutlich aufgeholt. Einkäufer suchen auf gewerblichen Plattformen bereits beinahe genauso häufig Ware wie beim Großhändler. Vorteile von B2B-Plattformen zeigen sich insbesondere dann, wenn Anbieter wegbrechen – auch dann, wenn diese zuvor ein großes Angebot auf der Plattform stellten.
Der alte Kaufmanns-Leitsatz “Verlasse dich nie auf einen Lieferanten allein” ist heute dank der Digitalisierung für Einkäufer leichter denn je zu erfüllen. B2B-Plattformen gibt es mittlerweile für alle Branchen und sie sorgen für transparente Vergleichsmöglichkeiten der Produkte sowie für ein optimales Preisgefüge. Händler sind zudem gut beraten, sich nicht nur auf einen Zulieferer allein zu verlassen, denn geht dieser insolvent, kann es kritisch werden. Beispiel Reifen und Kfz-Teile: Gerade der Ausfall eines Big-Players kurz vor der Umrüst-Saison von Sommer- auf Winterreifen stellt Händler vor große Probleme, rechtzeitig Waren zu bekommen, wenn sie sich kein Lieferantennetzwerk aufgebaut haben.
Dieses Problem besteht auf B2B-Portalen aufgrund der Plattform-Ökonomie hingegen nicht. Kann ein großer Anbieter keine Produkte mehr zur Verfügung stellen, ändert sich lediglich das Marktgefüge auf den Portalen, eine Versorgung der Käufer ist aber nicht gefährdet. Normalerweise sind diese großen Unternehmen auf Plattformen sehr aktiv und leistungsfähig – Schwergewichte, die auch die Industrie durch ihre Marktmacht bei Einkaufspreisen unter Druck setzen wollen. Denkt man wieder an das Beispiel Reifen, sind hier die Margen aber einfach zu gering. Die Insolvenz des Big Players schafft der Industrie erst einmal eine Verschnaufpause, aber andere umsatzstarke Großhändler werden schnell nachrücken, und versuchen, ihre Macht gegenüber der Industrie zu stärken.
Insolvenz von Mitspielern mischt die Karten auf B2B-Plattformen neu
Die Karten auf B2B-Plattformen werden durch die Insolvenz von Mitspielern aus der ersten Reihe also neu gemischt und viele werden versuchen, deren Position einzunehmen. Da hier nicht nur der Preis entscheidend ist, gewinnen die Lieferanten das Rennen, die die beste Kombination aus Preis, Verfügbarkeit und Service bieten.
Als vor kurzem die Pleite des Reifengroßhändlers Fintyre den europäischen Markt durchgeschüttelt hat, konnten auf das Segment spezialisierte B2B-Plattformen wie Tyre24 den Ausfall gut abfedern, weil sehr viele Großhändler den digitalen Marktplatz vertrieblich nutzen. Für angemeldete Nutzer und aktive Einkäufer bedeutete das, dass sie keine negativen Effekte auf Pricing und Angebotsgefüge festgestellt haben.
Wer auf die Beschaffung über Plattformen setzt – und das sind laut Umfragen bereits 45,9 Prozent -, konnte sich also bestätigt fühlen. Denn gerade für die Reifenbranche mit ihrem Saisongeschäft ist es sehr wichtig, eine stabile Einkaufsquelle zu haben. Wer hier nur auf die Versorgung durch einen Big Player gesetzt hat, der wurde durch die Großinsolvenz eines Besseren belehrt.
Sicher werden auch Wettbewerber durch die Pleite ihre eigene Strategie überdenken. Denn dass ein Reifengroßhändler in die Knie geht, zeigt einmal mehr, wie gering die Margen sind. Der Markt ist gesättigt. Einige Anbieter setzen bereits auf die Erweiterung des Portfolios um Kfz-Teile, weil die Gewinnspanne hier deutlich höher ist.
Schlankere Strukturen garantieren günstigere Preise auch für Erstbestellungen
Neben der garantierten Lieferung hat das Benutzen von B2B-Plattformen aber noch einen anderen deutlichen Vorteil: günstigere Preise. Aufschläge für Belieferung, Lagerlogistik und Administration, wie im Offline-Handel von Reifen und Kfz-Ersatzteilen üblich, fallen weg, weil die Strukturen um ein Vielfaches schlanker sind und sämtliche Einkäufer die gleichen Preise bekommen, egal ob es sich um eine Erstbestellung oder um einen Stammkunden handelt.
Besonders in den Dimensionen Preis und Service bietet der Wettbewerb unterschiedlicher Anbieter auf dem Portal für Einkäufer positive Aspekte. Und wenn Käufer einen Mehrwert spüren, dann kommen auch Verkäufer hinzu, was wiederum das Angebot breiter und attraktiver macht.
Ganz so leicht, wie es klingt, ist es aber nicht, ein neuer Anbieter zu werden. Denn Plattformen haben strenge Prozesse implementiert, um die Qualität der angebotenen Artikel zu gewährleisten. Zu den Kriterien gehören auch eine hohe Verfügbarkeit der angebotenen Waren, die stetige Aktualisierung von Beständen und Preisen, die schnelle Abwicklung eingehender Bestellungen sowie das Anbieten von im Markt relevanten Marken zu attraktiven Preisen. Erst wer alle Qualitätsansprüche erfüllt, bekommt als Anbieter Zugang zum Portal.
Entscheidend bei der Plattformökonomie ist, dass hier große und kleine Anbieter ein Ganzes bilden. Damit es kein Rennen um die Gunst der Kunden gibt, entscheidet nicht nur der Preis, sondern das Gesamtpaket zusammen mit Warenverfügbarkeit und Service. Das Angebot ist durch die Präsenz vieler Anbieter breiter als bei einem regionalen Teilegroßhändler. Verkäufer können europaweit Kunden erreichen und ihren Marktbereich ausweiten.
Die Plattform-Ökonomie sichert Verfügbarkeit
Spätestens die Insolvenz eines großen Lieferanten kann also dazu führen, dass Einkäufer die Vorteile von B2B-Plattformen für sich entdecken. Meistens ist die Recherche auf dem digitalen Marktplatz für Einkäufer heute noch wichtiger als die Transaktion selbst. So ergab eine Studie von Inside Business, dass online zwar Produkte und neue Lieferanten gesucht werden, aber nur ein Drittel der Befragten auch dort Bestellungen durchführt. Die Bezugsquelle Nummer 1 bleibt nach wie vor der Direktkontakt. Wer im Reifenmarkt auf diese Strategie gesetzt hat, hat vielleicht nun durch die Fintyre-Pleite Probleme, rechtzeitig an Ware zu kommen.
Dieses Problem besteht auf B2B-Marktplätzen aufgrund der Plattform-Ökonomie nicht, weil hier andere Anbieter zur Verfügung stehen, die nachrücken. Gewerbliche Käufer wie Reifenhändler, Werkstätten oder Autohäuser können also sicher sein, ihre Ware auch während der Saison immer zu Großhandelspreisen und in einer hohen Verfügbarkeit beschaffen zu können.
Fazit
Online-Plattformen gewinnen im B2B-Bereich immer mehr an Relevanz. In Europa etablieren sich in allen Branchen Player als Gegengewicht zu GAFA (Google, Amazon, Facebook, Apple) und ermöglichen so eine wichtige Unabhängigkeit für gewerbliche Käufer. Vor allem wenn ein großer Anbieter insolvent wird, bieten digitale Marktplätze für Einkäufer eine große Sicherheit. Denn sie stehen nicht von einem auf den anderen Tag ohne Lieferanten dar, sondern können aus einem breiten Angebot die optimale Kombination aus Preis, Verfügbarkeit und Service wählen.
Autor: Christian Koeper, COO Saitow AG
Weitere Informationen: www.alzura.com
(Bild: Mohamed Hassan auf Pixabay)