Wie Hersteller und Zulieferer optimal zusammenarbeiten
Alle Industriebranchen stehen vor Umwälzungen, denen sich niemand entziehen kann. Vor diesem Hintergrund sind Hersteller und ihre Zulieferer besonders gefordert, Stückzahlen kundenspezifisch, termingerecht und zu wettbewerbsfähigen Preisen zu liefern. Um Entwicklungsprozesse und Produktionsabläufe zu optimieren und aktuelle Anforderungen optimal anpassen zu können, setzen Unternehmen mittlerweile auf intensive Entwicklungsprogramme für Lieferanten.
Ob Sitze in der Automobilbranche oder ganze Turbinen im Flugzeugbau – die Entwicklung und Lieferung neuer Einzelteile oder ganzer Baugruppen kann zu Komplikationen bei der Steuerung von Zulieferern und Kooperationspartnern führen, wodurch ungeplante personelle und finanzielle Aufwände entstehen können. Entwicklung und Lieferung erfordern daher bei den meisten Unternehmen ein effizientes wie optimal verzahntes Supply-Chain-Management.
Reibungsverluste in der Kooperation minimieren
Nicht termin- und qualitätsgerechte Lieferungen sowie die Bemühungen, diese wieder wettzumachen, haben Auswirkungen auf Budgets sowie Kundenzufriedenheit und beeinträchtigen die Schnittstellen der Zusammenarbeit mit den Partnern; im Worst Case wirken sie sich für den Hersteller bis in das Endkundengeschäft aus. Das Unternehmen selbst muss dann zusätzliche personelle und finanzielle Kapazitäten abstellen, um die Lieferungen abzusichern.
Die hohe Produktkomplexität in der Automobil- und Transportbranche wie auch der Luft- und Raumfahrt geht einher mit einem absoluten Fokus auf Sicherheit und Zuverlässigkeit. Projekte sind gekennzeichnet durch individuelle Markt-, Kunden- und Innovationsforderungen wie beispielsweise geringere Energieverbräuche und kundenspezifische Änderungswünsche.
Dabei werden die jeweiligen Anforderungen mittlerweile immer später, abhängig von der Branche sogar oft erst mitten im Entwicklungs- und Produktionsprozess, final spezifiziert. Das führt zu enormer Komplexität und erfordert hochflexible und optimale Abläufe im Entwicklungs- beziehungsweise Entstehungsprozess von Produkten. Nur so können Termintreue und höchste Qualitätsstandards eingehalten werden.
Klare Rahmenstrukturen schaffen und Lieferanten früh involvieren
Um jeglichen negativen Entwicklungen im Produktionsprozess und den entsprechenden Folgen entgegenzuwirken, empfiehlt sich deshalb die Etablierung einer klaren Rahmenstruktur im Sinne eines Leitfadens, der von der Entwicklungsphase bis zur Auslieferung reicht.
Wurde im Rahmen des Ausschreibungsprozesses ein Lieferant identifiziert, kommen voll integrierte Lieferantenentwicklungskonzepte zum Einsatz. Diese müssen an die Rahmenbedingungen des Zulieferers (z.B. Material- und Produktkomplexität) und der Branche angepasst werden.
Das auf Industriekunden spezialisierte Beratungsunternehmen CYLAD Consulting beispielsweise hat gemeinsam mit einem Kunden einen solchen Blueprint entwickelt, der an verschiedene Branchen anpassbar ist.
Im Detail geht es bei der Anwendung des Lieferantenentwicklungskonzepts um eine optimale Strukturierung der Entwicklungsvorgänge und Lieferprozesse. Ein weiterer Fokus liegt auf der Harmonisierung von Arbeitsabläufen zwischen Hersteller und Lieferant, indem sich Expertenteams beider Unternehmen bereits früh in der Entwicklung abstimmen und Prozesse wie auch Arbeitsweisen gemeinsam definieren.
Dabei wird typischerweise zunächst eine Ist-Analyse mit dem Zulieferer durchgeführt, welche die spezifischen Eigenschaften des Zulieferers und der Schnittstelle zum OEM untersucht. So ermittelt diese vor allem die Ausgangssituation und den derzeitigen Status des Lieferanten, vor dem Hintergrund ein vom OEM gewünschtes Produkt erwartungsgemäß liefern zu können.
Diese Informationen zur Ist- beziehungsweise Soll-Situation des Zulieferers sind im Rahmen des Blueprints nötig, um ein Entwicklungskonzept individuell für den Zulieferer zu formen und dieses an seine spezifischen Anforderungen und Randbedingungen anzupassen. Inhalte des angepassten Konzepts, bestehend aus Entwicklungs-, Produktions- und Managementexpertise, kann der Zulieferer schließlich für die Zusammenarbeit mit dem OEM in Anspruch nehmen.
Der Nutzen für Zulieferer und OEM ist am Ende besonders hoch und zahlt sich insbesondere bei der Lieferperformance aus, wie Johannes Schilling, Manager bei CYLAD Consulting erklärt. So können pünktliche Lieferungen sowie die Vermeidung von Zusatzaufwänden und Doppelarbeit durch die frühe gemeinsame Definition und Klärung Branchen-, OEM- und kundenspezifischer Anforderungen gehandhabt werden.
Das mehrteilige Entwicklungskonzept beinhaltet Komponenten für Entwicklung, Produktion und das Projektmanagement. „Das Konzept setzt bereits frühestmöglich in der Beziehung zum Lieferanten an“, erklärt Schilling und fügt hinzu: „Der gemeinsame Entwicklungsprozess beginnt bei der Vertragsunterschrift, also sobald das Vertragsverhältnis startet. Bis zur Auslieferung der ersten Zulieferprodukte setzt es sich kontinuierlich fort und begleitet Entwicklung sowie Produktion eines speziellen Bauteils oder ganzer Baugruppen.“
Anforderungen definieren und Vorgänge bestmöglich strukturieren
Im Bereich Produktentwicklung und Engineering profitieren OEMs wie Lieferanten vor allem von Klarheit und Stringenz: „Dank des Lieferantenentwicklungskonzepts erhalten Lieferanten Zugang zu Best Practices in der Zusammenarbeit mit anderen Lieferanten und aus den unterschiedlichen OEM-eigenen Entwicklungen“, so Schilling. Zulieferer wissen so jederzeit nicht nur über die Anforderungen des OEMs Bescheid, sondern auch, wie diese zu verstehen sind. So können auch neue Zulieferer vorhandene Erfahrungswerte in ihre Arbeit integrieren.
Beispielsweise ermöglicht das Konzept die gemeinsame Definition der Produktstruktur. Diese Konfiguration des finalen Produkts ist grundlegend für das spätere Einfließen kunden- oder marktspezifischer Änderungswünsche im laufenden Entwicklungsprozess. Auch die Konkretisierung branchenspezifischer Vorgaben und wie diese auf Komponenten anzuwenden sind, erfolgt verständlich und nachvollziehbar durch Experten des OEMs im Rahmen des Lieferantenentwicklungskonzepts.
Dabei ist das Konzept bewusst nicht als lieferantenspezifische Lösung, sondern als Blueprint aufgesetzt. „Damit wird der entworfene Prozess quasi als Blaupause oder Musterprozess ermöglicht. Das Konzept lässt sich auf höchst unterschiedliche Produktgruppen und Komponenten anwenden“, ergänzt Schilling. CYLAD kann im Rahmen eines solchen Prozesses die Gesamtkoordination oder auch einzelne Arbeitspakete, wie die anfängliche Anpassung der Ist-Analyse und des Lieferantenentwicklungskonzepts, übernehmen und spielt so eine neutrale Rolle zwischen OEM und Lieferant.
In der richtigen Richtung unterwegs
Jede Interaktion zwischen OEM und Lieferant ist anders strukturiert und bietet andere Herausforderungen. Anhand der gewonnenen Erfahrungen wurde das Konzept in der Vergangenheit immer weiter angepasst und optimiert. Nach ersten gesammelten Erfahrungen können die Lieferantenentwicklungsmodule auch von Anfang an in zukünftige Ausschreibungsprozesse aufgenommen werden. Insgesamt synchronisiert und beschleunigt das Konzept die Abläufe zwischen OEMs und seinen Lieferanten deutlich.
„Indem wir dem Zulieferer früh unsere Expertise zur Verfügung stellen, reduzieren wir die notwendigen Entwicklungsschleifen, haben dadurch eine verkürzte Entwicklungszeit und können dadurch Entwicklungsmeilensteine halten und die Produktqualität sichern“, resümiert ein Program-Manager eines namhaften europäischen OEMs nach der erstmaligen Durchführung. Teure Recovery-Aktionen oder Doppel- wie auch Nacharbeiten gehören somit der Vergangenheit an; kundenspezifische Anpassungen des Produktdesigns können jederzeit einfließen und der Aufwand ist deutlich reduziert.
Der Program-Manager fügt hinzu: „Das Lieferantenentwicklungskonzept bietet OEMs wie auch seinen Lieferanten die Möglichkeit, gemeinsame Projekte kosten-, qualitäts- und termingerecht abschließen zu können. Denn Lieferanten erhalten bereits bei Vertragsbeginn die Sicherheit, in die richtige Richtung zu arbeiten, indem der OEM dem Lieferanten die Hand reicht und ihm seine Expertise zur Verfügung stellt.“
Autor: Rüdiger Oberschür, IT-Journalist für Wordfinder