Franz Schneeberger: „Ich sehe den Einkauf als Impulsgeber für Veränderungen“
Menschen in Einkauf und Management: Franz Schneeberger, Managing Director bei Hirtenberger Automotive Safety, über seinen Werdegang, seinen Weg über den Einkauf ins Unternehmensmanagement und die aktuellen Herausforderungen für Unternehmen in einer volativen Umwelt
Wie sind Sie zum Einkauf gekommen und was ist Ihre aktuelle Position?
Nach dem Abschluss der HTL für Maschinenbau/Automatisierungstechnik in Waidhofen an der Ybbs arbeitete ich als Entwicklungskonstrukteur und Projektleiter in Deutschland. Nach vier Jahren entschied ich, meinen Job zu kündigen und das Studium für Wirtschaftsingenieurwesen an der FH Wiener Neustadt zu absolvieren.
Während dieser Zeit konnte ich in Kanada und China erste Auslandserfahrung außerhalb Europas sammeln; und in meiner Diplomarbeit mit dem Thema „Lieferantenmanagement in China“ erhielt ich Einblick in den chinesischen Beschaffungsmarkt.
Mein damaliger Chef gab mir die Empfehlung, im Einkauf zu bleiben, um unterschiedliche, firmeninterne Fachbereiche kennenzulernen und zusätzlich Unternehmenseinblicke bei Lieferanten zu erhalten. Sein Ratschlag führte mich nach meinem FH-Abschluss zuerst in den Projekteinkauf und nach drei Jahren in den strategischen Einkauf der Magna Powertrain.
Um meinen Horizont zu erweitern, absolvierte ich während dieser Zeit berufsbegleitend den Professional MBA für Automotive Industry an der TU Wien und STU Bratislava.
Im Jahr 2013 wechselte ich zu Hirtenberger Automotive Safety, wo ich bis Juni 2019 die Abteilung Beschaffung leitete. Seit Juli 2019 bin ich dort gemeinsam mit einem Kollegen Managing Director und lenke die weitere Entwicklung des Unternehmens.
Weiterbildung ist für mich einer der wesentlichsten Erfolgsfaktoren, um in Zukunft als Unternehmen, aber auch als Person wettbewerbsfähig zu bleiben.
Bei Hirtenberger gehört Change Management ja quasi zur Unternehmens-DNA. Welche Rolle spielt der Einkauf für und in Veränderungsprozessen und wie schätzen Sie das für die Zukunft ein?
Durch Schnittstellen des Einkaufs mit anderen Fachbereichen und die tägliche Arbeit mit externen Partnern ist dieser maßgeblich an Veränderungen beteiligt. Der Einkauf ist somit nicht nur für die Beschaffung von Teilen und Dienstleistungen zuständig, sondern auch dafür, neue Informationen, Ideen und Know-how ins Unternehmen zu bringen.
Ich sehe den Einkauf als Impulsgeber für Veränderungen, die tagtäglich bei unseren Lieferanten zu sehen sind beziehungsweise die wir auf Messen beobachten können und die gerade in der heute schnelllebigen Zeit helfen, am Ball zu bleiben.
Was sind aus Ihrer Sicht die derzeit virulentesten Themen und Herausforderungen, denen sich Einkaufsabteilungen speziell im Automotive-Bereich, aber nicht nur dort, gegenübersehen?
Die VUCA*-Welt geht natürlich auch am Einkauf nicht spurlos vorbei. Keiner weiß, wie viele Teile wir morgen brauchen, da die Welt immer volatiler wird. Bedarfe gehen in kürzester Zeit hinauf, um anschließend sehr schnell wieder nach unten zu gehen. Entwicklungs- und somit auch Beschaffungszeiten werden immer kürzer.
Dadurch, dass nicht mehr viel Zeit ist, um Produkte „in Ruhe“ zu entwickeln, gibt es im Produktentstehungsprozess viele Änderungen, die wir an unsere Lieferanten weitergeben müssen. In Folge erhöht sich der interne und externe Abstimmungsbedarf enorm.
Zusätzlich nimmt der Preisdruck stetig zu, da unsere Kunden uns die aus ihrer Sicht marktüblichen Preise vorrechnen und auch nicht mehr bezahlen wollen. Da bleibt nicht viel Spielraum und Fehler bei der Lieferantenauswahl müssen vermieden werden.
Aufgrund von Kostenoptimierung ist das Thema Working Capital mit einhergehenden geringen Lagerständen ein sehr wichtiges Thema. Daraus ergibt sich, dass unser größtes Lager auf der Straße beziehungsweise am Weg vom Lieferanten zu uns liegt. Dies wiederum bedingt, genau zu wissen, was passiert, und führt zu dem sehr komplexen Thema Risikomanagement, um immer lieferfähig zu bleiben und keinen Bandstillstand zu riskieren.
Wie schätzen Sie die Bedeutung von Weiterbildung für den Einkauf ein und wo würden Sie aus Ihrer Erfahrung und Ihrer Beobachtung aktuell die Schwerpunkte setzen – bei Führungskräften und bei MitarbeiterInnen?
Weiterbildung ist für mich einer der wesentlichsten Erfolgsfaktoren, um in Zukunft als Unternehmen, aber auch als Person wettbewerbsfähig zu bleiben. Die heute schnelllebige Zeit bedingt, dass vieles, was heute Gültigkeit besitzt, morgen obsolet ist. Wer das nicht mitbekommt und darauf reagiert, hat schlechte Karten in einer globalisierten Welt.
Gleichzeitig ermöglicht die Digitalisierung vieles, was vor einigen Jahren nicht möglich war. Es ist mehrfach wissenschaftlich belegt, dass Unternehmen, die mehr in Digitalisierung investieren, schneller wachsen als jene, die weniger investieren. Es ist auch bekannt, dass große Unternehmen generell mehr in Digitalisierung investieren als KMUs. Dieser Umstand muss uns bewusst sein, damit wir darauf reagieren können, wie auch immer die Reaktion auf diesen Umstand ausfällt.
Nach vielen Jahren im Berufsleben setze ich meine persönlichen Schwerpunkte in der Weiterbildung von Persönlichkeit und Leadership. Persönlichkeit ist für mich ein wichtiger Faktor, denn erst wenn ich mich selber führen kann, kann ich andere so führen, wie sie es erwarten.
Karriere und Einkauf: Wie sehen Sie die Möglichkeiten, im Einkauf beziehungsweise mit Erfahrung im Einkauf spannende Karrierewege einzuschlagen?
Für mich war der Einkauf eine sehr lehrreiche und wichtige Station. Man erhält Einblick in verschiedenste Unternehmen und Unternehmensbereiche sowie in fremde Kulturen und man muss die unterschiedlichsten Interessen unter einen Hut bringen. Gleichzeitig verbringt man viel Zeit im Krisenmodus, da immer Teile zu spät geliefert werden oder fehlen.
In diesen Phasen lernt man viel über sich selbst, über Projektmanagement und auch über Krisenmanagement. Es zeigt sich aber auch, dass es am Ende des Tages immer eine Lösung gibt, auch wenn man diese zu Beginn oft nicht einmal erahnen kann.
All diese Erfahrungen helfen mir jetzt als Managing Director, nicht den Kopf zu verlieren, wenn etwas nicht so läuft wie geplant. Im Nachhinein betrachtet, ist das nämlich eher der Normalzustand als die Ausnahme.
Aber auch wenn man in einen anderen Fachbereich wechselt, helfen die Erfahrungen im Einkauf enorm. Ich kenne viele Einkäufer, die irgendwann zum Beispiel in die Projektleitung oder auch in den Vertrieb gewechselt haben und dort sehr erfolgreich sind. Es ist definitiv eine gute Schule, egal welchen Weg man schlussendlich einschlägt.
Wenn Sie Ihrem 14-jährigen Ich einen Ratschlag bezüglich persönlicher und beruflicher Entwicklung mit auf den Weg geben könnten, was wäre das?
Ich würde mir den Ratschlag geben, mich früh mit meiner eigenen Persönlichkeit und mit meinen Interessen zu beschäftigen. Dinge, die man gerne macht, macht man automatisch gut und man braucht viel weniger Energie, um gute Resultate zu erzielen.
Wichtig ist für mich auch, sich selber Ziele zu stecken und diese auch zu verschriftlichen. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Menschen mit verschriftlichten Zielen beruflich und privat erfolgreicher und auch gesünder sind als jene ohne Ziele. Und was will man mehr im Leben als privat und beruflich erfolgreich zu sein, und das bei bester Gesundheit? 🙂
Franz Schneeberger bei Linkedin
* VUCA ist ein Akronym, das sich auf „volatility“ („Volatilität“), „uncertainty“ („Unsicherheit“), „complexity“ („Komplexität“) und „ambiguity“ („Mehrdeutigkeit“) bezieht. Damit werden vermeintliche Merkmale der modernen Welt beschrieben.